Selbstherrliche Wahlkampf-Einkaufstour der Berliner SPD

Gastkommentar: Michail Nelken warnt vor der Rechnung für Ankäufe von Vonovia und Deutsche Wohnen

  • Michail Nelken
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Ankauf von über 14.000 Wohnungen von Deutsche Wohnen und Vonovia, insbesondere auch von einst kommunalen und Sozialwohnungen in Gebieten mit vielen einkommensschwachen Mietern, liegt auf der Linie der von Rot-Rot-Grün vereinbarten guten Wohnungspolitik zur Umsetzung des Versorgungsauftrags der kommunalen Wohnungsunternehmen. Dass dabei wohnungs- und sozialpolitische Gesichtspunkte eine gewichtige Rolle spielen und nicht rein betriebswirtschaftliche Kalkulationen ausschlaggebend sein können, ist eine Koalitionsverständigung und wurde auch schon bei früheren Käufen in dieser Legislaturperiode so gehandhabt, so bei den Häusern im Kosmosviertel in Altglienicke, an der Karl-Marx-Allee oder im Wohngebiet Heerstraße-Nord in Spandau.

Auf Kosten der Landeseigenen?

Michail Nelken
Michail Nelken ist Sprecher für Bauen und Wohnen der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Was dabei aber auch stets unstrittig war, ist das Erfordernis der Abwägung aller Aspekte, auch der betriebswirtschaftlichen und gegebenenfalls haushalterischen, um eine rationale Folgeabschätzung für die Interessenlage Berlins machen zu können. Das ist den Abgeordneten der Koalition bei diesem Deal mit Deutsche Wohnen und Vonovia unmöglich, weil wir - vielleicht mit Ausnahmen bei der SPD - über die Details des Deals nicht in ausreichender Tiefe informiert werden. Wie steht es um Lasten und Belastungen materieller und finanzieller Art bei den Immobilien des Ankaufspakets? Wie steht es um Angemessenheit der Kaufpreise und die wohnungspolitische Wirkung im städtebaulichen Umfeld der erworbenen Bestände? Auf welcher Ertragsentwicklung basiert die Kalkulation der Wirtschaftlichkeit der Ankäufe? Welche mittel- und langfristigen Folgen haben diese Käufe für die wohnungswirtschaftliche und wohnungspolitische Handlungsfähigkeit der erwerbenden Gesellschaften?

Ist das ein Rückfall in alte Zeiten, in denen die Berliner SPD die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften materiell und finanziell nach Belieben für ihre Parteiinteressen nutzte, sei es als Versorgungseinrichtung für verdiente Genossen oder als Geldgeber für Lieblingsprojekte in ihnen wichtigen Wahlkreisen?

Verantwortliche Politik basiert auf Wissen. Offenbar meint Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) fürsorglich, dass die Abgeordneten sich mit derartigem Wissen nicht belasten sollten, da sie ja ohnehin am Abwägungs- und Entscheidungsprozess nicht beteiligt sind. Er und andere führende SPD-Amts- und Mandatsträger glauben, uns diese Bürde ersparen zu sollen. Das sehe ich ganz anders. Wir Abgeordneten der Linken sind bereit, auch für schwierige Entscheidungen die Mitverantwortung zu übernehmen, aber das setzt Wissen und eine tatsächliche Beteiligung an der Entscheidung voraus. Beides ist in diesem Fall bis heute nicht gegeben.

SPD auf dem Weg in die Vergangenheit

An »alte Zeiten« erinnert auch das Poltern des Fraktionsgeschäftsführers der SPD, Torsten Schneider: Die Wohnungsbaugesellschaften mögen über die aufzubürdende Schuldenlast nicht so jammern. Er kenne »stille Reserven« bei ihnen in Milliardenhöhe. Ich fühle mich da sofort an die einstige SPD-Finanzsenatorin Fugmann-Heesing erinnert. Deren Lieblingssport war die »Vermögensaktivierung«. Dazu gehörte auch das Heben von schlummernden stillen Vermögenswerten bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften, zum Beispiel durch In-Sich-Verkäufe. In Folge dieses Substanzverzehrs waren drei Gesellschaften wenige Jahre später einer Insolvenz gefährlich nahe gekommen, so dass der Verkauf von Wohnungsbeständen zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Gesellschaften angeblich unvermeidlich erforderlich gewesen war. Gutachter »über die Erstellung einer Eigentümerstrategie und Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der städtischen Wohnungsbaugesellschaften« war seinerzeit 2003 die Beraterfirma Ernst & Young. Sie berät heute den Finanzsenator Kollatz beim Rückkauf eines Teils der damals verkauften Bestände.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -