Keine Klarheit bei klebriger Klage

Imker fordert von Agrarunternehmen Schadenersatz wegen mit Glyphosat verunreinigten Honigs

  • Louisa Theresa Braun, Frankfurt (Oder)
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Verwirrung in dem kleinen Gerichtssaal des Landgerichts in Frankfurt (Oder) ist groß, nachdem Richter Christopher Gerhardt am Dienstag den aktuellen Prozessstand verlesen hat. Die Entscheidung im Zivilprozess, der nach der Klage des Imkers Sebastian Seusing gegen ein Agrarunternehmen in Werneuchen (Barnim) seit August geführt wird, ist noch nicht gefallen, sondern es sollen erst noch weitere Zeug*innen vernommen werden.

Sebastian Seusing, der zu diesem Termin selbst nicht anwesend ist, klagt gegen ein Agrarunternehmen, das seine Felder im April 2019 mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat behandelt hatte. Zu diesem Zeitpunkt blühte auf der etwa 70 Hektar großen Fläche Löwenzahn, der Seusings Bienen in den angrenzenden Bienenstöcken als Futterquelle diente. Resultat war, dass insgesamt 500 Kilogramm Honig und Wachs die Grenzwerte für Glyphosat um das bis zu 160-Fache überschritten und entsorgt werden mussten - im Wert von 70 000 Euro. Deshalb fordert der Brandenburger Imker, der seinen Betrieb nach dem immensen Verlust aufgeben musste, von dem Unternehmen Schadenersatz.

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»Das Gericht will nun herausfinden, ob das beklagte Unternehmen von den Bienenstöcken Kenntnis hatte«, erklärt Michael Smolski, Sprecher des Landgerichts, warum noch keine Entscheidung gefällt werden konnte. Daher sollen im November Mitarbeiter*innen sowohl des Imkers als auch des Agrarunternehmens befragt werden. Wenn Letzteres von den Bienenstöcken gewusst hätte, hätte es Sebastian Seusing über den Glyphosateinsatz informieren müssen. »Dann ist der Anspruch auf Schadenersatz gegeben«, sagt der Zivilrichter Christopher Gerhardt.

Seusings Anwalt Georg Buchholz von den Rechtsanwälten Gaßner, Groth, Siederer & Coll. findet es »widersprüchlich, dass das Gericht die Beweisaufnahme noch machen muss«. Eigentlich habe der vergangene Prozesstermin am 10. August bereits ergeben, dass die Bienenkästen umgestellt worden seien, sehr wahrscheinlich von Mitarbeitenden des Agrarunternehmens, weil sie bei der Feldarbeit im Weg standen. Demnach müsste das Unternehmen von den Bienenkästen Kenntnis gehabt haben.

Als Sebastian Seusing seine Bienenstöcke 2018 aufstellte, hätten er und das Agrarunternehmen noch nicht voneinander gewusst, da der Imker damals davon ausgegangen war, dass das angrenzende Grundstück dem Berliner Forst gehört. Tatsächlich ist es jedoch im Besitz der Berliner Stadtgüter, die die Flächen dem Landwirtschaftsbetrieb verpachten. Die Besitzrechte spielen für die Schadenersatzforderungen nun jedoch keine Rolle, sondern lediglich die Frage, ob die Landwirtschaft von den Bienenstöcken Kenntnis hatte oder nicht. Das hatte der Geschäftsführer im August jedoch bestritten.

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Unterstützt wird Sebastian Seusing im laufenden Prozess von dem Umweltverband Aurelia-Stiftung, der sich für das Wohl von Bienen einsetzt und sich von dem Urteil eine entscheidende Signalwirkung für Landwirtschaft und Politik in Deutschland erhofft. Florian Amrhein, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung, hofft, dass der Prozess nicht lediglich auf eine Informationspflicht hinausläuft. »Bienen fliegen in einem Radius von bis zu drei Kilometern. Dann müssten sich zukünftig alle Landwirtschaftsbetriebe und alle Imker in diesem Umkreis gegenseitig über jeden Glyphosateinsatz und jeden Bienenstock informieren. Das ist gar nicht leistbar«, sagt er zu »nd«. Stattdessen hofft die Aurelia-Stiftung auf ein Urteil, das es Landwirt*innen verbietet, blühende Bestände mit Pestiziden zu behandeln. Denn überall dort, wo blühende Felder mit Unkrautvernichtungsmittel behandelt werden, sei davon auszugehen, dass das Pestizid von Honigbienen und anderen Bestäuberinsekten aufgenommen werde.

»Glyphosat vermengt sich mit dem Nektar, die Pflanze stirbt aber nicht sofort, sondern wird weiter von Bienen angeflogen. Glyphosat hat in Honig aber nichts verloren. Das ist schließlich ein Naturprodukt«, sagt auch Martin Müller vom Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund Brandenburg zu der Problematik. Er kritisiert, dass viele Landwirt*innen ihre Äcker prophylaktisch mit Pestiziden spritzen würden, da es schnell und kostengünstig sei. Dadurch, dass das bislang nicht verboten ist, seien die Verantwortlichkeiten bei entstehenden Schäden für Imker*innen nicht klar.

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Im Fall von Sebastian Seusing zeigt sich Anwalt Georg Buchholz »zuversichtlich, dass der Landwirt die Schadenersatzforderung bezahlen muss« und dass das Urteil »mustergültig« wird. »Demnächst werden sich Landwirte und Imker immer gegenseitig informieren müssen«, glaubt er. »Aber wollen wir wirklich mit so einer schlechten Begründung gewinnen?«, fragt Florian Amrhein von der Aurelia-Stiftung. Er stellt in Aussicht, dass der Prozess auch noch vor einer höheren Instanz, also vor dem Oberlandesgericht Brandenburg, fortgesetzt werden könnte.

Die Aurelia-Stiftung fordert über den Schadenersatz für Sebastian Seusing hinaus ein Verbot des Pestizideinsatzes auf blühenden Feldern. Dafür hat die Stiftung bereits vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium demonstriert. Mit einem »klebrigen Protest«, bei dem Sebastian Seusing Anfang 2020 einen Teil seines verunreinigten Honigs auf der Eingangstreppe des Ministeriums verschüttete, forderten die Bienenschützer*innen die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf, endlich angemessene Schutzmaßnahmen für Bienen und Imkereien zu treffen. Im Juli wurde Glyphosat vom Bundeslandwirtschaftsministerium bereits teilweise verboten, zum Beispiel für den privaten Gebrauch, auf Spielplätzen und in Parks. EU-weit ist das Pestizid noch bis Ende 2022 zugelassen.

Fortgesetzt wird der aktuelle Prozess mit der Zeug*innenvernahme am 23. November.

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