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- Funkzellenabfrage
Neue Offenheit bei behördlicher Datensammelei
Berliner sollen künftig leichter an Informationen über die polizeiliche Erfassung ihrer Handydaten kommen
»Wenn der Staat dem Bürger mit verdecktem Visier entgegentritt, dann soll er ihm im Nachhinein auch darüber Auskunft geben«, sagt Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Mittwoch beim offiziellen Startschuss für das Berliner Funkzellenabfragen-Transparenz-System, kurz FTS. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich ein bundesweites Novum: Jeder Berliner kann sich künftig per SMS informieren lassen, ob die eigene Handynummer im Zuge einer Funkzellenabfrage der Polizei erfasst und gespeichert wurde.
Bei einer solchen Funkzellenabfrage fordert die Polizei von den Mobilfunkbetreibern alle Telefonnummern an, die zu einem bestimmten Zeitraum in einer bestimmten Funkzelle angemeldet waren. Das soll bei einer Straftat im Bereich der Zelle die Suche nach Tätern erleichtern. Tatsächlich werden zugleich aber auch die Nummern von allen anderen Handynutzern »wie von einem Staubsauger erfasst«, wie Behrendt sagt.
Das Ausmaß der Funkzellenabfragen ist dabei beträchtlich. Nach Angaben Behrendts ist die behördliche Datensammelei im vergangenen Jahr zwar leicht zurückgegangen. So löste die Berliner Polizei in 547 Ermittlungsverfahren 523 Funkzellenabfragen aus, 90 weniger als 2019. Gleichwohl seien von der umstrittenen Praxis »in Summe«, so Behrendt, rund eine Million Handynummern betroffen, »sodass wir statistisch jeden vierten Berliner erfasst haben«.
Der Grünen-Politiker selbst verteidigt die Funkzellenabfragen. Das sei »eine okaye Ermittlungsmaßnahme, wenn es keine anderen Erkenntnismöglichkeiten gibt«, sagt Behrendt auf Nachfrage. Wichtig sei ihm, »dass wir aber dabei mehr Transparenz schaffen«.
Wie der für die Entwicklung des neuen Systems bei der Justizverwaltung verantwortliche Richter Ulf Buermeyer erläutert, sei es über das Transparenzsystem künftig denkbar einfach zu erfahren, ob die eigene Nummer in irgendwelchen Datensätzen von Polizei und Justiz auftaucht. Nötig sei lediglich eine wenig anspruchsvolle Anmeldung auf der bei der Justizverwaltung angesiedelten Webseite, wobei die Daten der angemeldeten Nutzer hier dann auch unter Verschluss blieben, so Buermeyer: »Die Strafverfolgungsbehörden erfahren diese Daten nicht.« Sollte man von der Polizei schließlich erfasst worden sein, wird man per SMS darüber informiert, sobald das entsprechende Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist. Bis dahin freilich, räumt Buermeyer ein, »können Monate, manchmal auch Jahre« ins Land gehen.
Noch viel länger dauerte es auch, bis das FTS überhaupt seinen Dienst antreten konnte. Schon 2014 hatte das Abgeordnetenhaus in einem Beschluss den Senat aufgefordert, ein entsprechendes »SMS-Informationssystem umzusetzen«. Allein: Das damalige rot-schwarze Regierungsbündnis ließ die Sache konsequent liegen, und auch unter Rot-Rot-Grün kam das Projekt nur schleppend voran. »Die eigentliche Software-Entwicklung hat nur ein bis zwei Monate gedauert«, sagt Buermeyer. Zeitfressend seien vor allem die Abstimmungsrunden mit den unterschiedlichen Abteilungen gewesen: »Überzeugungsarbeit dauert mitunter. Nicht jeder ist von vornherein ein begeisterter Anhänger des Systems gewesen.«
Der softwareentwickelnde Jurist baut darauf, dass das FTS letztlich den Auftakt für ein bald bundesweites System bildet. Er jedenfalls sei überzeugt, dass die damit einhergehende Transparenz »ein gutes Zeichen für eine Justiz« sei, »die nah am Menschen ist« und »nichts zu verbergen« habe.
Zustimmung für die neue Offenheit der Strafverfolgungsbehörden kommt auch von der Linken. »Ich bin sehr gespannt auf das System«, sagt Niklas Schrader zu »nd«. Der Innenexperte der Linksfraktion hofft, dass die Berlinerinnen und Berliner regen Gebrauch von der Möglichkeit machen, sich über ihre polizeiliche Erfassung informieren zu lassen. Viele Menschen würden dann erst merken, dass und wie häufig ihre Daten an die Behörden gegangen sind. »Und ich glaube auch, dass sich daraus auch noch einmal eine Debatte entwickeln wird, ob das rasterfahndungsähnliche großflächige Abfischen aller Handynummern sinnvoll ist«, so Schrader. »Wir zumindest sehen das sehr kritisch.«
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