Millionen für ein Abschiebe-Drehkreuz

Linke sieht in geplantem Behördenzentrum am BER Mogelpackung und kritisiert Intransparenz der Regierung

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Vorzeigeprojekt der rot-schwarz-grünen Landesregierung Brandenburgs erregt Misstrauen in den Reihen der Opposition. Gegenstand ist das geplante Behördenzentrum in Schönefeld (Dahme-Spreewald), das Innenminister Michael Stübgen (CDU) Ende August als »Aufnahme- und Ausreisezentrum am BER« im Kabinett vorgestellt hat. Dabei geht es sowohl um dessen Ausrichtung im Rahmen der Asylpolitik als auch um seine Dimension und Finanzierung, wie zuerst die »Märkische Zeitung« am Donnerstag berichtete. Die Linkspartei warnt vor einem Musterprojekt zur Abschiebung von Geflüchteten, das vom Land, aber am Landtag vorbei geschaffen werde.

Wie schnell das Thema der Abschiebung für Regierende politisch heikel werden kann, hat sich zuletzt am Beispiel Afghanistan gezeigt. In dem Behördenzentrum wolle man künftig »alle Aspekte der Migration ordentlich, human und zügig umsetzen«, hatte Stübgen erklärt. Um Ein- und Ausreiseverfahren sicherzustellen, würden die für deren Abwicklung zuständigen Behörden von Bund und Land die neue Einrichtung zukünftig gemeinsam nutzen. Dies ermögliche eine effiziente Umsetzung von asyl- und aufenthaltsrechtlichen Aufgaben und schaffe fachliche und wirtschaftliche Synergien. »Der internationale Flughafen BER ist ein Tor zur Welt«, hatte Minister Stübgen betont. Der BER sei EU-Außengrenze, ein »internationales Drehkreuz mit vielen außereuropäischen Direktverbindungen«. Um seinen daraus erwachsenden Verpflichtungen gerecht zu werden, will das Land dort für die Regelung von Aus- und Einreiseverfahren schnellstmöglich ein vorzeigbares Behördenzentrum als Ersatz für die bisherige »Sammelstelle für Abschiebungen« am BER-Terminal 5 schaffen. Zugleich möchte es den Vorwurf entkräften, es gehe dabei vor allem um eine Abschiebeeinrichtung. Befürchtungen, die auch in der Gemeindevertretung laut geworden waren. Neben der Bündelung aller benötigten fachlichen und behördlichen Kompetenz seien Räumlichkeiten vorgesehen, die auch künftigen Anforderungen an ein Flughafenasylverfahren oder einen notwendigen Ausreisegewahrsam gerecht werden.

Zwischen Rauswurf und Willkommen
  • Seit 2019 unterhält Brandenburgs Innenministerium am früheren Flughafen Berlin-Schönefeld, dem einstweilen stillgelegten BER-Terminal 5, eine Sammelstelle für abgelehnte Asylbewerber. In den Räumlichkeiten mit 20 Plätzen sollen Betroffene maximal zwei Tage bis zu ihrer Abschiebung untergebracht werden.
  • Mit der Wiederbelebung des 2020 eröffneten Hauptstadtflughafens BER nach der Pandemie rechnen Bund und Land mit einer Stärkung der internationalen Drehkreuz-Funktion. Die Verpflichtungen zum Schutz der EU-Außengrenze umfassen nicht zuletzt auch asyl- und aufenthaltsrechtliche Fragen.
  • Die Planung eines neuen Behördenzentrums am BER geht laut Innenministerium noch auf die rot-rote Landesregierung zurück.
  • Das am 31. August 2021 vorgestellte Projekt sieht bis 2025 einen Campus zur effizienten Umsetzung von asyl- und aufenthaltsrechtlichen Aufgaben vor, den Bundes- und Landesbehörden gemeinsam nutzen. Die Gemeinde Schönefeld plant dafür ein 4,4 Hektar großes Areal in BER-Nähe im alten Dorfkern. tm

Dass die Landesregierung den Landtag bis heute nicht über dieses Projekt informiert habe, kritisiert Andrea Johlige, Innenpolitikexpertin der Linksfraktion, als Missachtung des Parlaments. Zudem hält sie die Bezeichnung »Behördenzentrum« für eine Mogelpackung. »Aus den Planungen für den Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplanes der Gemeinde Schönefeld vom März dieses Jahres geht hervor, dass das mitnichten nur ein Behördenzentrum wird«, sagte sie dem »nd«. »Schönefeld wird das Abschiebe-Drehkreuz von Deutschland.« Der geplante Campus werde sieben Gebäude mit Platz für gut 200 Mitarbeiter umfassen - darunter für Ein- und Ausreise, für Ausreisegewahrsam, Justiz, Flughafenasyl - und es werde eine Tiefgarage und sogar einen Tunnel geben. »Das ist ein Projekt, das vermutlich um die 100 Millionen Euro kosten wird«, so Johlige. Das sei angesichts der vergleichsweise niedrigen Zahl von Abschiebungen in Brandenburg absolut überdimensioniert und nicht zu verantworten. Über die tatsächlichen Kosten gebe es keine Angaben. Doch selbst, wenn das Projekt im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) finanziert würde, kämen auf das Land über Jahrzehnte hinweg riesige Kosten zu, bei denen das Parlament mitzureden habe.

Darüber hinaus werde die geplante Einrichtung in einer im März erstellten Präsentation als ein EU-Musterprojekt bezeichnet, das »höchste Priorität auf Landes- und Bundesebene« habe, ohne dass es dafür eine politische Beschlussfassung durch das Parlament gebe. »Offenbar beabsichtigt die Regierung, den Landtag und vielleicht sogar den grünen Koalitionspartner vor vollendete Tatsachen zu stellen«, so Johlige. In Schönefeld soll ein Campus entstehen, der »als Teil der Abschottungsstrategie Europas« Blaupause für weitere solcher Einrichtungen in verschiedenen EU-Staaten sein könnte, vermutet sie.

Anfang der Woche hat Thomas Nord, Mitglied der Linksfraktion im Bundestag, in einer Anfrage die Bundesregierung um Informatio᠆nen zur Finanzierung des Vorhabens in Schönefeld gebeten. Andrea Johlige hat jetzt von der Landesregierung Aufklärung verlangt.

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