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Unabhängigkeit Schottlands ist das Ziel

SNP-Parteitag stimmt die Schotten auf Referendum 2023 ein

  • Dieter Reinisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Thema Corona überlagert in Schottland medial sogar die längerfristige Zukunft des Landes. Regierungschef Nicola Sturgeon von der Scottish National Party (SNP) will bis 2023 ein neues Unabhängigkeitsreferendum abhalten. Auf dem am Montag zu Ende gegangenen SNP-Parteitag wurden die Mitglieder darauf eingeschworen. Das Parlament stritt indes über den Corona-Pass.

Schottland erlebt derzeit die vierte Coronawelle. In einem Monat stiegen die Neuinfektionen von täglich unter 900 auf über 7000. Am 1. Oktober wird auch in Schottland ein Corona-Pass eingeführt. Ähnlich wie das grüne EU-Zertifikat ist der schottische Pass ein QR-Code, der den Impfstatus ausweist und so den Eintritt zu Konzerten, Nachtclubs, Sport- und anderen Großveranstaltungen mit über 500 Personen ermöglichen wird. Der Corona-Pass ist das erste größere Gesetz der neuen Regierung aus SNP und Grünen. Und es rief heftige Kritik der Opposition aus Tories, Liberaldemokraten und Labour hervor. Der Vorsitzende der schottischen Liberaldemokraten, Alex Cole-Hamilton, bezeichnete den Pass als »illiberal«.

Die Debatte über das Pandemiemanagement verdrängt noch den wichtigsten Punkt des Regierungsabkommens: In der ersten Hälfte der Legislaturperiode, spätestens aber im Herbst 2023, wird es eine neuerliche Abstimmung über die Abspaltung vom Vereinigten Königreich geben. Die SNP war in die Parlamentswahl im Mai mit dem Versprechen der Unabhängigkeit gegangen. Sie verfehlte zwar knapp die absolute Mehrheit, doch mit den ebenfalls unabhängigkeitsbefürwortenden Grünen gibt es eine satte Mehrheit für ein neues Referendum.

Der Sprecher des britischen Premiers Boris Johnson wies das Anliegen sofort zurück: »Es ist jetzt nicht die Zeit für so etwas.« Die Strategie Londons ist die Isolierung der SNP. Im November wird die UN-Klimakonferenz Cop26 im schottischen Glasgow stattfinden. Johnsons Büro ließ Sturgeon kurzerhand aus den Werbespots dafür herausschneiden. Der Klimagipfel solle nicht als Bühne für die Unabhängigkeit benutzt werden. Die Vorgabe aus London: Der Kampf gegen den Klimawandel soll als ein »Erfolg des Vereinigten Königreichs« dargestellt werden - und Sturgeon dadurch gleichzeitig national und international »neutralisiert« werden.

Mit der neuen Koalition sind die Grünen erstmals in Großbritannien an einer Regierung beteiligt. Neben dem Kampf gegen die Pandemie und der Abhaltung eines erfolgreichen Unabhängigkeitsreferendums sind Maßnahmen gegen die hohe Kinderarmut und der Umweltschutz Schwerpunkte des Regierungsprogramms. Es trägt eine deutlich grüne Handschrift. Eine Mehrheit von 91 Prozent stimmte auf dem Grünen-Parteitag für die Annahme. Die Grünen erhielten zwei Regierungsposten, was die Gewichte nach links verschoben hat.

Auf dem Parteitag der SNP war allerdings das Unabhängigkeitsreferendum das zentrale Thema. In seiner Eröffnungsrede verkündete der stellvertretende Parteivorsitzende, Keith Brown, den Start der Kampagne »Reach Out For Indy«. Neben dem Referendum beschäftigte sich die viertägige Onlinekonferenz mit dem Klimawandel und den Lokalwahlen im kommenden Jahr. In ihrer Abschlussrede betonte Sturgeon, dass nur die Unabhängigkeit die Folgen des Brexits rückgängig machen könne: »Der Brexit macht uns ärmer, führt zu Nahrungsmittelknappheit, Arbeitskräftemangel, brachte schlechte Handelsabkommen und schadet unseren Universitäten.«

Laut aktuellen Umfragen für die »Financial Times« und den »Scotsman« liegen Befürworter und Gegner der Unabhängigkeit Kopf an Kopf. Doch sind die Unabhängigkeitsbefürworter im Aufwind. Eine zweite Niederlage nach dem verlorenen Referendum im September 2014 könnte sich die SNP politisch nicht leisten. Denn auch wenn die Pandemie noch nicht überstanden ist: Am Ende wird Sturgeons dritte Amtszeit nicht am Umgang mit Corona, sondern am Erreichen oder Nichterreichen der schottischen Unabhängigkeit gemessen werden.

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