Gemeinsam gegen Sparpolitik

Demonstranten in Berlin fordern deutliche Stärkung öffentlicher Einrichtungen

  • Darius Ossami
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer die Krise bezahlen wird, steht für René Arnsburg von der Vernetzung kämpferischer Gewerkschaften VKG bereits fest: »Nach den Wahlen werden wir erleben, dass die Regierenden die Kosten für die Pandemie auf uns abwälzen werden«, befürchtet der Gewerkschafter.

Aus diesem Grund ist Arnsburg am Samstag für eine sozialere Gesellschaft und den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge demonstrieren gegangen. Das Bündnis »Gemeinsam auf die Straße: Öffentlich statt privat« protestierte gegen Einsparungen und Privatisierungen von Krankenhäusern, Schulen und im öffentlichen Dienst.

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Keine Privatisierungen

Obwohl 39 Organisationen zu der Demonstration aufgerufen hatten, zogen nur wenige Hundert Menschen vom Washingtonplatz durch die Berliner Innenstadt zum Roten Rathaus - die Veranstalter*innen sprachen von 700 Teilnehmer*innen.

»In unserer Stadt läuft vieles schief: Mieten explodieren, Personal fehlt in Krankenhäusern, Schulen, Kitas und im öffentlichen Dienst«, hieß es im Aufruf. Nach den Bundestags- und Abgeordnetenhauswahlen am 26. September drohe, dass die Krisenkosten auf die Bevölkerung abgewälzt werden, »statt das Geld bei Reichen und Vermögenden zu holen«.

Zudem wurde vor weiteren Privatisierungen landeseigener Betriebe gewarnt. Zu den Unterstützer*innen der »Öffentlich statt privat«-Demonstration gehörten mehrere Gewerkschaften sowie Initiativen wie Schule in Not, Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB), Berliner Wassertisch und Deutsche Wohnen & Co Enteignen.

Die bunte Palette an Forderungen richtete sich dabei in erster Linie an die Berliner Landespolitik: keine Einsparungen im Bildungsbereich, mehr Personal in Pflege, Schulen und Kitas, keine Privatisierung der S-Bahn und Krankenhäuser, Rekommunalisierung von privatisierten Bereichen und bezahlbare Wohnungen für alle. Die Atmosphäre war familiär, man kannte sich. Auch die Stimmung war gut, dem schwungvollen Moderator gelang es, die Teilnehmer*innen auch mit teilweise holprigen Parolen wie »Mehr Personal - noch vor der Wahl!« bei Laune zu halten. Zahlreiche Redebeiträge solidarisierten sich mit aktuellen Protesten wie den der Krankenhausbewegung.

Komplizenschaft mit der Wirtschaft

Bereits nach wenigen hundert Metern gab es einen ersten Zwischenstopp am Gebäude der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft »Pricewaterhouse Cooper«. Diese hatte unter anderem eine Studie zur Privatisierung der Berliner Stadtautobahn und der Schulen erstellt. »Die Schulsanierungsgesellschaft mit der Howoge hat keinen einzigen Schulbau zu Ende gebracht«, kritisierte Carl Waßmuth von der Initiative GiB. »Die Namen von Blackrock und Co. werden auch in diesem Wahlkampf schamhaft verschwiegen«. Der Einfluss dieser Beratungsfirmen müsse öffentlich gemacht werden, forderte Waßmuth und warf der Bundes- und Landesregierung »Komplizenschaft« vor. So habe auch der derzeitige Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) zuvor bei »Pricewaterhouse Cooper« gearbeitet.

Tarif auf der Straße erkämpfen

Unweit der Charité beklagte Charlotte Rutz-Sperling, Vertrauensfrau der Gewerkschaft Verdi für die »Initiative Wenckebach Krankenhaus muss bleiben«, den Bettenabbau und das »Kaputtsparen« der Krankenhäuser selbst während der Corona-Pandemie. Vereinbarungen müssten immer wieder neu getroffen werden, kritisierte ihr Kollege Daniel Turek: »Politische Versprechen sind nichts wert«, wetterte er. »Nach dem Kampf heißt immer wieder vor dem Tarifkampf. Ich habe gelernt, dass man auf die Straße gehen und für seine Rechte kämpfen muss«, so Turek, der vor knapp zwei Jahren von der Charité-Tochter CFM (Charité Facility Management) fristlos gekündigt wurde, nachdem er jahrelang als Mitglied der Verdi-Tarifkommission den Arbeitskampf der Beschäftigten angeführt hatte.

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René Arnsburg forderte in diesem Zusammenhang mehr »Gewerkschaften, die bereit sind, sich mit den Regierenden anzulegen«. Das befand auch sein Kollege vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Georg Heidel: »Nur gemeinsam können wir etwas ändern«, rief Heidel vom DGB-Kreisverband Tempelhof-Schöneberg zu mehr Vernetzung und Bündnisbildung auf. »Es ist notwendig, dass sich die verschiedenen Berliner Bewegungen und die Gewerkschaften zusammenschließen und im Bündnis nach den Wahlen gegen Privatisierung und Kaputtsparpolitik auftreten.«

Tatsächlich diente die Demonstration wohl eher der internen Vernetzung und der Vorbereitung auf die Zeit nach der Wahl. Dass dies dringend notwendig und unter anderem mit der Demonstration auch gelungen sei, glaubt Thomas Schmidt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin. »Nach den Wahlen wird es richtig losgehen mit Einsparungen und Privatisierungen«, befürchtet Schmidt. »Ich denke, diese Konflikte werden noch zunehmen und sie werden vermutlich wesentlich mehr Menschen erreichen. Da brauchen wir ein stabiles Bündnis zwischen den Initiativen, die es schon längere Zeit gibt, und den Gewerkschaften«, so der GEW-Mann.

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