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Im zweiten Anlauf

Bayerns Leroy Sané hatte einen schweren Saisonstart – mittlerweile glänzt er

  • Elisabeth Schlammerl, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Früher einmal waren in deutschen Fußballstadien die Dezibel gemessen worden, also wie laut es ist beim Applaus der Fans. Theoretisch konnten Spieler etwas über die genaue Intensivität des Beifalls für sie erfahren, bei Auswechslungen zum Beispiel – und damit über die eigene Wertschätzung bei den Fans. Allerdings bedarf es dazu in der Regel ja kein Messgerät, nur ein halbwegs funktionierendes Gehör. Es war deshalb nicht mehr als ein Versuch, der irgendwann wieder eingestellt wurde, offiziell jedenfalls.

Leroy Sané hat, soweit bekannt, ganz gute Ohren. Für ihn war es somit am Samstag beim 7:0-Sieg des FC Bayern gegen den VfL Bochum nicht besonders schwierig festzustellen, dass sich etwas verändert hat in seiner Beziehung zum Publikum. Der Beifall, der ihn bei seiner Auswechslung nach einer guten Stunde begleitete, war in erster Linie Anerkennung für seine sehr gute Leistung, natürlich, aber es schwang eben auch ein wenig Wiedergutmachung mit für das, was die Zuschauer in der Münchner Arena dem Nationalspieler ein paar Wochen zuvor angetan hatten. Abbitte für die damaligen Pfiffe und hämischen Beifall.

Gut, der Applaus für den kurz darauf vom Platz genommenen Robert Lewandowski war noch ein bisschen lauter. Nicht wegen seiner Leistung gegen den VfL Bochum; die war ordentlich, und er hat das getan, was er seit November mindestens einmal in jedem Pflichtspiel macht: Getroffen. Der Pole hat sich die Gunst des Publikums mit Konstanz auf hohem Niveau erarbeitet. Gegen den arg überforderten Aufsteiger setzte aber nicht der amtierende Weltfußballer die Akzente, sondern Sané. Mit einem wunderbaren Freistoßtor zum 1:0 und einer überlegten, feinen Vorarbeit zu Joshua Kimmichs 2:0.

Das Publikum honorierte die Steigerung von Sané und auch das Bemühen, es besser, immer besser machen zu wollen. »Ich wusste, ich benötige Zeit«, sagte der 25-Jährige. Aber es sei nicht so gewesen, »als hätte ich mich zurückgelehnt«. Die Häme im Spiel gegen Köln, das kann man nun erahnen, hatte Sané schwer zugesetzt, da kam die Auszeit bei der Nationalmannschaft Anfang September wohl gerade zur rechten Zeit. Dort, unter den Fittichen seines ehemaligen Klubtrainers Hansi Flick, schaffte er es, den Bayern-Ballast abzuwerfen, einen Neustart hinzulegen und sich ein wenig Selbstvertrauen zurückzuholen.

Sané, das musste er nicht betonen, ist keiner, der sich ausruht, im Training nachlässt. Im Gegenteil. »Er wirft sich volle Kanne rein«, sagt Trainer Julian Nagelsmann. Beobachter erzählen, dass er zuletzt sogar oft Extraschichten eingelegt und Freistöße trainiert hat. »Relativ viele«, sagte er selbst, »auch aus verschiedenen Distanzen«. Dass nun Bochums Team mit einer Freistoßmauer, die maximal als Fragment bezeichnet werden konnte, mithalf, den Nationalspieler zu belohnen, ist zwar auch ein bisschen Glück, aber Glück eben, dass sich Sané in den letzen Wochen erarbeitet hat. Es laufe im Moment »wirklich gut«, sagte er. »Da will ich weitermachen.« Zumal er weiß: »es gibt dennoch immer Sachen, die man besser machen kann«. Zum Beispiel im Torabschluss, da hatte Sané zwei gute Chancen vergeben. Und defensiv war auch nicht jede Aktion perfekt. Aber bei wem ist das schon so?

Der Münchner Patient steht kurz vor der vollständigen Genesung. Er erweckt jedenfalls zurzeit den Eindruck, verstanden zu haben, dass es nicht nur darum geht, seine offensiven Stärken auszuspielen. Sané kämpft um jeden Ball, ist präsent und lässt sich nicht mehr verunsichern, wenn mal etwas misslingt. Der Trainer spreche die Dinge an, die er ändern solle, »und ich versuche, das umzusetzen«, sagt Sané.

Womöglich half neben der Kur bei Flick auch, dass er jetzt in der Regel über links statt auf der rechten Seite agieren darf, mal als Flügel-, mal als Halbspieler. Mit seinem stärkeren linken Fuß kommt ihm die Position jedenfalls entgegen. Nagelsmann gefällt die Entwicklung Sanés jedenfalls. Gegen Bochum sei er »sehr engagiert« gewesen, sagt der Bayern-Trainer. Das Publikum in München sah es offenbar ähnlich.

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