Die »Potse« lebt weiter

Ältester Berliner Jugendclub zieht nach zähem Ringen an das Tempelhofer Feld

  • Darius Ossami
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Ende fließen Tränen. Am Montag kurz vor 12 Uhr verlassen einige junge Punks mit Werkzeug und Schlafsäcken die Räume in der Potsdamer Straße 180 und übergeben die Schlüssel im Beisein ihres Anwalts an den verkniffen schauenden Bezirksjugendstadtrat Oliver Schworck (SPD). Es gibt eine Kundgebung, zu der 30 Menschen gekommen sind. Die Stimmung ist gedrückt. Es ist das traurige Ende der fast 50-Jährigen Geschichte von gleich zwei unkommerziellen und selbstverwalteten Jugendprojekten: Das »Drugstore« als ältestes selbstverwaltetes Jugendzentrum seit 1972 und den Jugendtreff »Potse« seit 1979. »Heute geht ein wichtiges Kapitel in der Geschichte selbstverwalteter Räume in Berlin zu Ende«, ruft eine Rednerin ins Mikrofon. »Es geht zu Ende, weil uns die Räume der ›Potse‹ genommen werden.«

Zuvor war das Gebäude mehrfach weiterverkauft worden, eine drastische Mieterhöhung durch eine Investorengruppe führte schließlich zur Kündigung der Räume durch den Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Am 31. Dezember 2018 sollte die Schlüsselübergabe an Stadtrat Schworck stattfinden. Während das »Drugstore« dem nachkam und seitdem ohne Räume dasteht, weigerte sich das »Potse«-Kollektiv, auszuziehen und hielt das Gebäude seitdem besetzt.

Nach zähen Verhandlungen und mehrfachen Räumungsdrohungen konnte am 10. September eine Einigung zwischen Kollektiv und Bezirk erzielt werden und die »Potse« kann nun doch vorübergehend in die alte Zollgarage am ehemaligen Flughafen Tempelhof einziehen. Das denkmalgeschützte Gebäude war bereits mehrfach als Ersatzobjekt im Gespräch. Nur dieser überraschenden Wendung ist es wohl zu verdanken, dass die »Potse« nicht geräumt wurde.

Am vergangenen Donnerstag, vier Tage vor der Schlüsselübergabe, sitzen die beiden Aktivistinnen Lisa und Susu auf verstaubten Sofas im ehemaligen Konzertraum, aus den Fenstern der »Potse« flattern noch immer verblichene Transparente. »Die Aussetzung der Räumung Anfang Mai lag an unserem Druck«, ist sich Lisa sicher. »Das wäre für die Behörden vor den Wahlen nicht hilfreich gewesen.«

Der Eingang ist voller Gerümpel, Deutschpunk scheppert mit Altmetall um die Wette, Schrotthändler und Punks nehmen den Metall- und Holzberg auseinander. Es sind nun wirklich die letzten Tage des selbstverwalteten Jugendzentrums. »Von der ›Potse‹ bis zur Rigaer, wir bleiben unregierbar!«, hat jemand auf eine leere Werbetafel geschrieben. Immerhin, diese beiden Projekte haben den rot-rot-grünen »Räumungssenat« (Presseerklärung der »Potse«) überdauert.

Doch richtige Feierstimmung will sich nicht breitmachen, die beiden Frauen sind durch das zähe Ringen mit Politik und Behörden misstrauisch geworden. Auch eine feierliche Eröffnung der neuen »Potse« in der alten Zollgarage ist zunächst noch nicht geplant. »Die Zollgarage war schon vor Jahren im Gespräch«, sagt Susu, doch ihrer Meinung nach hat Schworck »nicht viel dazu beigetragen«. Vielmehr hätten die Verhandlungen mit dem Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, Sebastian Scheel (Linke) und dessen Referent dazu geführt, dass es die Zollgarage gibt. Diese ist jedoch auch nur eine Zwischenlösung, »bis das seit Jahren versprochene Haus der Jugend fertig wird«. Das »Drugstore« hat Verträge für die Potsdamer Straße 134-136, aber darf nicht rein, weil eine Schadstoffsanierung noch aussteht. Das ursprüngliche ebenfalls anvisierte Gebäude an der Potsdamer Straße 140 wurde kurzfristig von Finanzsenator Kollatz (SPD) beansprucht. »Er hat die Chance für eine Lösung verbaut«, ist sich Susu sicher.

Dass es nun ein Ersatzobjekt gibt, ist ein Erfolg. Allerdings ist die Zollgarage kleiner und vor allem denkmalgeschützt, Umbauten sind daher nicht möglich. »In der Zollgarage können wir nicht machen, was wir wollen, es gibt tausend Bestimmungen: Brandschutz. Lärmschutz, Denkmalschutz«, kritisiert Lisa. Es gibt noch keine Toiletten, vor allem sind noch keine Konzerte möglich. Der Umbau soll demnächst stattfinden. »Die Räume leben von Kreativität und Selbermachen, aber dort funktioniert das nicht«, ergänzt Susu, sagt aber auch: »Die Zollgarage hat Potenzial.«

Angesichts des Abschieds von der alten »Potse« vermischen sich bei ihr Trauer und Wut mit einem Gefühl von Aufbruch. Lisa hingegen empfindet vor allem Frustration: »Wir haben so lange gekämpft. Jetzt haben wir zwar neue Räume, aber die sind nicht adäquat und nur eine Zwischenlösung. Es kann was Neues geschaffen werden, aber ich glaube nicht, dass es wird, wie es früher war.« Dennoch hofft sie, dass ihr Kollektiv wächst und neue Leute mitgestalten: »Es wäre schön, wenn frischer Wind reinkommt.«

Auf der Kundgebung dominiert die Trauer über den Verlust. »Die ›Potse‹ ist ein Ort, der uns fehlen wird«, ruft die Rednerin. »Doch heute ist nicht das Ende. ›Potse‹ und ›Drugstore‹ werden weiterleben!«

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