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Maßvoll gegen Maaßen

Südthüringen: SPD-Mann und Ex-Biathlet Frank Ullrich will in den Bundestag

  • Max Zeising, Meiningen
  • Lesedauer: 4 Min.

Frank Ullrich fährt selbst. Zielgenau wie früher am Schießstand steuert der Ex-Biathlet sein Wahlkampfmobil in die kleine Parklücke auf dem Marktplatz in Meiningen. Viel Platz ist ihm nicht gegönnt, gleich nebenan hat ausgerechnet die Konkurrenz ihren Stand aufgebaut: Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Chef des Bundesverfassungsschutzes und CDU-Rechtsausleger. Seinetwegen kennt mittlerweile ganz Deutschland den Wahlkreis 196, diesen kleinen Landstrich in Südthüringen - und damit auch ihn: Frank Ullrich, 63 Jahre alt, Ex-Profisportler, Politikneuling. Und: im Gegensatz zu Wessi Maaßen einer von hier, geboren im benachbarten Trusetal. Als Kandidat der SPD hat er bei der Bundestagswahl die größten Chancen, einen Sieg des Rechtsaußen zu verhindern.

Die letzte Wahlkampfwoche läuft, auf dem Marktplatz von Meiningen kämpfen die beiden Kontrahenten nur 30 Meter voneinander entfernt um den Sieg in dieser ländlich geprägten Region im Thüringer Wald. Zugleich sind Ullrich und Maaßen, der nach dem Rückzug des wegen Masken-Deals beschuldigten Mark Hauptmann als Ersatzkandidat der CDU in Südthüringen nominiert wurde, im Laufe des Wahlkampfes selbst zu Objekten der Taktiererei geworden: Rechte sinnieren über eine strategische Wahl des CDU-Manns wegen dessen AfD-Nähe, jüngst tauchte der bekannte Neonazi Tommy Frenck bei einer Veranstaltung Maaßens auf. Die Nichtregierungsorganisation Campact fordert von Linken und Grünen, für den SPD-Kandidaten zu werben. Im Kreuzfeuer der Debatte steht dieser Tage vor allem die Linke: Trotz der Gefahr, dass bei einem Sieg Maaßens die ohnehin in Teilen der CDU brüchige Brandmauer zur AfD weiter einreißen würde, will der Linke-Direktkandidat im Wahlkreis, Sandro Witt, weiter im Rennen bleiben.

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An Frank Ullrich scheint diese bundesweit geführte Debatte abzuprallen. Der ehemalige Weltmeister und Olympiasieger im Biathlon, dessen größter Erfolg die Goldmedaille im Sprint bei den Olympischen Spielen in Lake Placid im Jahre 1980 war, sitzt in einem Café auf dem Marktplatz und lehnt sich zurück: »Jeder Kandidat, der von seiner Partei aufgestellt wird, hat das Recht und die Pflicht, sich für seine Partei einzusetzen und bis zum Schluss dafür zu werben«, sagt er. Im Gespräch mit »nd« schlägt Ullrich ruhige, sanfte Töne an: »Es stört mich, dass viele nur noch schwarz oder weiß denken«, sagt er, fordert »Akzeptanz und Respekt« und will »mit jedem Bürger ins Gespräch kommen, jeden ernst nehmen«.

Deutlich enthusiastischer wirkt Frank Ullrich am Wahlkampfstand: Kaum den Autoschlüssel abgezogen, wuselt er auch schon herum. Es ist viel los an diesem etwas kühlen Dienstagmittag in Meiningen, auf dem Marktplatz haben allerlei Händler ihre Stände aufgebaut. Ullrich ist sofort auf Betriebstemperatur: Wenn er mit Passanten ins Gespräch kommt, wirkt er rastlos - so, als habe er Großes vor. Was ja stimmt: »Ich möchte etwas für die Region und den Sport erreichen«, sagt er. Und: »Ich möchte den Menschen, die in dieser Pandemie viel geleistet haben, Wertschätzung schenken: den Erziehern, den Pflegern.« Man merkt: Im Vergleich zu Maaßen möchte Ullrich den Eindruck eines Versöhners hinterlassen.

Eher unversöhnlich gestaltet sich derweil der Kampf um seine Person: Campact hatte dazu aufgerufen, E-Mails an Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu schreiben, um die Linke zum Wahlaufruf für Frank Ullrich zu bewegen. Der Regierungschef zeigte sich erbost über die Kampagne und wehrte sich gegen die Forderung, sich in den Wahlkampf einzumischen, unter Verweis auf die parteipolitische Neutralitätspflicht, der er als Ministerpräsident unterliegt. Als »bizarr« bezeichnete Ramelow zudem den Vorwurf, er würde nicht ausreichend Position gegen rechts beziehen. Obendrein lieferte er sich auf Twitter ein Wortgefecht mit dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, der behauptete, der Linke-Politiker würde sich vor Maaßen stellen und mit Nazis gemeinsame Sache machen: »Ich stelle mich vor das Amt des Ministerpräsidenten und achte sehr die Verfassung«, antwortete Ramelow.

Andere Weichenstellungen sind derweil bereits getroffen worden: Die in Südthüringen ohnehin chancenlosen Grünen rufen zur Wahl von Frank Ullrich auf, eine jüngst veröffentlichte Erklärung der AfD in Suhl liest sich hingegen wie eine Unterstützung von Maaßen. Konkret ruft die Stadtratsfraktion in ihrer Mitteilung dazu auf, »die besondere Situation im Wahlkreis 196« zu bedenken, ohne den Namen Maaßens zu nennen. AfD-Landeschef Björn Höcke nannte Maaßen jüngst einen »Stachel im Fleisch der CDU«.

Und Frank Ullrich? Der lässt sich von dem Gezerre offenbar überhaupt nicht irritieren, macht weiter unbeirrt Wahlkampf. Oft wird er gegrüßt, obwohl seine Partei durchaus umstritten ist: Eine Ladeninhaberin meint, sie könne einen höheren Mindestlohn aufgrund der Corona-Pandemie nicht zahlen. Ein Passant beschwert sich über Hartz IV und die Agenda 2010. Ullrich hört sich alles an, versucht zu vermitteln. Jüngst gab er bei einer Podiumsdiskussion sogar seinem Kontrahenten die Hand, was in der Lokalpresse für Schlagzeilen sorgte.

Das Rennen scheint offen, eine aktuelle Wahlkreiskarte des Forschungsinstituts Insa sieht die SPD in Südthüringen knapp vorn. Frank Ullrich bleibt skeptisch, will auf der letzten Runde noch einmal alles geben: »Entscheidend ist der Zieldurchlauf«, sagt er - im Kopf noch ganz der Sportler.

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