• Berlin
  • Wahl zum Abgeordnetenhaus

Grüne schneiden in Berlin unerwartet stark ab

Ökopartei könnte laut ersten Wahlprognosen knapp vor der SPD auf Platz 1 gelandet sein

  • Martin Kröger und Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Freude steht Bettina Jarasch ins Gesicht geschrieben. »Es sind unfassbare Prognosen«, erklärte die Spitzenkandidatin der Grünen unter dem großen Jubel der anwesenden Parteimitglieder auf der Wahlparty der Partei. Nach ersten Prognosen lagen die Grünen mit 23,5 Prozent vor der SPD, die bei 21,5 Prozent gemessen wurde.

»Berlin hat gewählt und es ist großartig«, bekannte Jarasch, die im Oktober 2020 überraschend von der Partei für die Spitzenkandidatur aufgestellt wurde. Eigentlich hatten seinerzeit viele politische Beobachter eine andere grüne Spitzenkandidatin auf dem Zettel gehabt, entweder Vizesenatschefin Ramona Pop oder die mächtige Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek vom linken Flügel. Der Reala und ehemaligen Landesvorsitzenden Jarasch dagegen hatte kaum jemand die Spitzenkandidatur zugetraut. Nicht wenige unkten bereits, dass die Grünen-Kandidatin kaum jemand in der Stadt kennen würde. Dass es dennoch möglicherweise zu Platz 1 und dem starken Wahlergebnis in Berlin gereicht haben könnte, führten die Spitzen der Grünen-Partei »auf eine Aufholjagd« ohnegleichen zurück. »Es wird eine lange Wahlnacht, wir werden wenig schlafen, aber das wird es wert sein«, erklärte Jarasch. Sie sei aber, so Jarasch im ZDF, »unglaublich froh und stolz auf meine Leute«. »Wir haben eine Aufholjagd hingelegt, getrieben von Herausforderungen wie dem Klimawandel. Die Zivilgesellschaft, die sich zu uns bekannt hat, hat uns getrieben.«

Die Spitzenkandidatin der Grünen führte ihren möglichen Wahlerfolg damit auf die Schwerpunktsetzung auf das Klimathema zurück. Noch am vergangenen Freitag hatten in der Hauptstadt laut Organisatorinnen und Organisatoren des Friday-for-Future-Demonstration in Berlin 100 000 Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz demonstriert. »Die Berlinerinnen und Berliner sind veränderungsbereit«, sagte Jarasch. Gemeinsam mit ihnen hätten sie es geschafft, die Wahl in Berlin zur Klimawahl zu machen. »Die Grünen müssen hier Regierungsverantwortung übernehmen«, so die Spitzenkandidatin. »Es braucht eine Regierung mit den Grünen in Berlin.« Wenn sich die Zahlen bewahrheiteten, seien sie gestärkt. Derzeit regiert in Berlin die SPD mit den Linken und den Grünen zusammen in einem rot-rot-grünen Bündnis.

Auch der Landeschef der Grünen, Werner Graf, erklärte nach Bekanntwerden der ersten Prognosen, dass er die Grünen weiterhin als Regierungspartei sehe. Ohne die Grünen sei voraussichtlich »keine stabile Mehrheit« möglich, sagte der Landesvorsitzende Werner Graf im Fernsehsender RBB. Gegenüber dieser Zeitung sagte der scheidende Landesvorsitzende: »Wir freuen uns tierisch.« Angesichts des geringen Abstands zwischen SPD und Grünen rechne er mit einer langen Nacht. »Wir merken, dass wir mit einem sehr progressiven Kurs und mit einem Bekenntnis zu Rot-Rot-Grün aus der Regierung heraus viel Zustimmung bekommen«, so Graf weiter. Trotz zwischenzeitlich schlechter Umfragewerte habe er in den letzten Monaten »ein gutes Gefühl« gehabt. »Ich habe geahnt, dass es gut wird. Auch weil noch nie so viele Aktive im Wahlkampf dabei waren wie diesmal.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!