Die Erfindung der falschen Neun

Europas Fußballzirkus freut sich auf das Duell des weltbesten Trainers mit dem weltbesten Spieler. Pep Guardiola gegen Lionel Messi!

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Ob sie sich am Dienstag wiedersehen? In den Katakomben des Prinzenparks oder beim Aufwärmen auf dem Rasen? Europas Fußballzirkus freut sich auf das Duell des weltbesten Trainers mit dem weltbesten Spieler. Weil Lionel Messi aber immer noch ein Problem mit dem lädierten Knie hat, ist keineswegs sicher, dass er es am Dienstag mit seinem Mentor Pep Guardiola zu tun bekommt. Immerhin streichelte er am Montag beim Training in bester Laune den Ball, was seinen neuen Arbeitgeber Paris Saint-Germain mit so großem Stolz erfüllte, dass er die Bilder davon live via Internet in die Welt sendete.

Das Duell zwischen Messis PSG und Guardiolas Manchester City FC ist das spektakulärste dieses zweiten Spieltags der Champions League. Gemeinsam gewannen sie mit dem FC Barcelona zweimal die Champions League, drei spanische Meistertitel und zweimal die Copa del Rey. Vor allem aber hat Pep Guardiola für Lionel Messi die Position erfunden, auf der seine unerreichte Qualität perfekt zur Geltung kommt. Als Stürmer, der gar keiner ist, weil er sich immer wieder zurückfallen lässt und für die im Raum agierende Verteidigung kaum zu greifen ist. Guardiola hat Messi zur falschen Neun gemacht.

Bald 14 Jahre ist das jetzt her. Kaum jemand mag sich heute vorstellen, wie schwer dem Berufsanfänger Guardiola 2008 die ersten Tage im Nou Camp fallen. Als erstes lässt er die Weltstars Deco und Ronaldinho wissen, sie mögen sich neue Vereine suchen, denn sie passen nicht in sein System. Guardiola teilt das Spielfeld in Sektoren ein, mit genauen Anweisungen für jeden Spieler, in welcher Situation er sich wo aufzuhalten habe. »Wir haben ihm vom ersten Tag an vertraut, weil wir gesehen haben, dass alles in die richtige Richtung läuft«, sagt Messi später.

Die Umsetzung aber braucht Zeit. Das erste Spiel in Numancia geht 0:1 verloren, das zweite daheim gegen Santander endet 1:1. Die Fans werden ungeduldig, viele wollten ohnehin den Portugiesen José Mourinho als Trainer. In seiner Biografie schildert Guardiola, wie Andrés Iniesta damals an seine Tür klopft und sagt: »Keine Sorge, Señor! Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir werden alles gewinnen.«

Im nächsten Spiel gibt es ein 6:1 in Gijon, ab jetzt ist Barcelona nicht mehr zu stoppen. Es folgen 20 Spiele ohne Niederlage. Zum Rückrundenduell bei Lieblingsfeind Real Madrid schult Guardiola Messi zur falschen Neun um, und Barça siegt 6:2. Messi schießt zwei Tore und kurz darauf noch eins beim 4:1-Pokalsieg gegen Gijon.

Dann steht die Reise nach Rom an, zum Finale der Champions League gegen Manchester United. Zu der Zeit hat Guardiola noch Haare und Messi weder Bart noch Tattoos. Samuel Eto’o schießt Barcelona im Stadio Olimpico früh in Führung. 20 Minuten vor Schluss flankt Xavi Hernandez von rechts in den Strafraum. Kein Engländer fühlt sich zuständig, bis ihnen aufgeht, dass sich Lionel Messi in ihren Rücken geschlichen hat. Der Argentinier misst nur 170 Zentimeter, ist der kleinste Spieler auf dem Platz. Aber er macht, was ein guter Mittelstürmer macht, selbst wenn er ein falscher ist. Er schraubt sich nach oben, segelt sekundenlang durch die Luft und köpft den Ball ins lange Eck. 2:0. Das Ende.

Manchesters Trainer Alex Ferguson verneigt sich danach vor dem Gegner: »Barça hielt den ganzen Abend den Ball in seinen Reihen. Wenn wir ihn mal hatten, war er schnell wieder weg. Sie haben Fußball genossen. Das ist ein Verdienst des Trainers.« Und seines Tiki-Taka. Pep Guardiola mag den Begriff übrigens nicht, er erscheint ihm zu profan für sein komplexes Werk. Albert Einstein wäre wohl auch nicht begeistert gewesen, wenn die zeitgenössische Presse seine Relativitätstheorie Flotti-Galotti genannt hätte.

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