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Der Blick geht nach Europa
Der deutsche Supercup läutet die neue Volleyballsaison ein. Serienmeister Berlin setzt sich vor allem international höhere Ziele
Ruben Schott ist ein Berliner. Hier ist er geboren und aufgewachsen, hier hat er mit dem Volleyball angefangen und alle Nachwuchsteams durchlaufen, bis er schließlich mit den BR Volleys deutscher Meister und Pokalsieger wurde. Die drei vergangenen Jahre, in denen er für Vereine in Italien und Polen spielte, waren schnell vergessen, seitdem er im Mai kurz nach dem Ende der letzten Spielzeit als prominenter Rückkehrer beim Serienmeister präsentiert worden war. Irgendwie war er nie wirklich weg, weshalb es kaum überraschte, dass ihn die Vereinsführung in dieser Woche als Teil des neuen dreiköpfigen Mannschaftsrates vorstellte.
Dass ihm das nicht reichen wird, wurde am vergangenen Mittwoch aber auch schnell klar, denn Schotts Wechsel zurück an die Spree kam nicht ohne Grund. Seit dem Weggang aus der Heimat hat der mittlerweile 27-jährige Nationalspieler keine Titel mehr gewonnen. An diesem Samstag könnte er das mit den Berlin Volleys gleich im ersten Pflichtspiel der Saison ändern: In Schwerin steht der Supercup gegen Pokalsieger Frankfurt an. »Und das ist der einzige nationale Titel, der mir noch fehlt«, sagte der Außenangreifer wenige Tage vor der Partie offenbar schon hoch motiviert.
Berlins Manager Kaweh Niroomand wird das gern registriert haben, soll Schott gemeinsam mit dem neuen argentinischen Libero Santiago Danani doch die größte Schwachstelle in eine Stärke umwandeln: die Annahme. »Mit Danani, einem der besten Liberos der Welt, und Ruben haben wir zwei Spieler gefunden, die unsere Lücken in der Defensive schließen können.« Die erhofft bessere Annahme sollte dem überragenden Zuspieler Sergej Grankin dann mehr Freiheiten schaffen, seine Angreifer gut in Szene zu setzen. Geht der Plan auf, wäre das kein gutes Zeichen für die Konkurrenz, die mittlerweile seit sechs Jahren darauf wartet, Berlin vom Thron zu stoßen.
Berlin in ungewohnter Frühform
In der jüngeren Vergangenheit gelang das allenfalls mal zu Beginn einer Saison, wenn die weniger bedeutsamen Titel Supercup und Pokal ausgespielt werden. Dann basteln die BR Volleys oft noch am Zusammenspiel einer neu aufgestellten Mannschaft. Andere Klubs haben zudem nicht das Problem der Berliner, bis kurz vor Saisonstart auf die Ankunft vieler Nationalspieler wie Schott warten zu müssen. Der Außenangreifer war zuletzt noch bei der EM mit Deutschland bis ins Viertelfinale vorgestoßen und war dabei erst am späteren Europameister Italien gescheitert.
Dass die Berliner deswegen nun erneut schwächeln, ist aber unwahrscheinlich. Die Eingewöhnung von Schott und dem US-Amerikaner Jeffrey Jendryk sollte einfacher werden als üblich, da beide schon mal für mehrere Jahre in Berlin gespielt haben. Zudem meldeten sich Grankin und Hauptangreifer Benjamin Patch ungewöhnlich früh zum Training zurück. Die Volleys wissen mittlerweile, wie sie aus einer kurzen Vorbereitung möglichst viel herauszuholen. So wurden alle Testspiele gewonnen, obwohl noch drei Stammspieler verletzt ausfallen. Selbst beim polnischen Champions-League-Dauergast Belchatow gewannen die Berliner mit 3:2.
»Wir müssen noch die Verbindungen zwischen den Mannschaftsteilen finden«, sagte Trainer Cédric Énard zuletzt. »Ab Samstag können wir dafür in einen Rhythmus kommen, wenn wir bis März alle vier, fünf Tage ein Spiel haben. Jedes davon ist so viel wert wie zwei Trainingseinheiten. Wir werden uns also noch viel weiterentwickeln können.«
Genau das ist das Berliner Ziel. Und so ergänzte Manager Niroomand: »Wenn alle halbwegs gesund bleiben, müssen wir natürlich um jeden Titel in Deutschland kämpfen. Und wenn wir in der Champions League unter die besten Acht kommen, wären wir auch in Europa ein Stück vorangekommen.« Da national die Herausforderungen zumindest nicht anwachsen, wird für die Volleys also eine Verbesserung in der Königsklasse immer wichtiger.
Dresden muss auf den Nachwuchs setzen
»Mit so viel Talent im Team ist es einfacher, ein hohes Level zu erreichen. Das wollen wir zum Start in die Champions League geschafft haben«, fokussierte sich auch Énard bereits auf den Europapokal, obwohl der erst Ende November gestartet wird. Die Hoffnung einiger Frankfurter, dass Berlin den Supercup daher nicht ernst nimmt, zerstreute der Trainer aber gleich: »Natürlich werden wir nicht bis zum November warten, um uns richtig reinzuhauen.«
Bei den Frauen kommt es derweil zu einem reinen Ostduell. Meister Dresdner SC trifft auf die Schweriner Gastgeberinnen. Es wird das erste Pflichtspiel nach einem Jahr für die Pokalsiegerinnen, das sie vor Zuschauern austragen dürfen. »Da müssen wir aufpassen, dass wir trotz aller Euphorie noch an Volleyball denken«, warnte Trainer Felix Koslowski. Obwohl sieben Spielerinnen gegangen und sechs neu gekommen sind, dürfte Schwerin leichter Favorit sein.
Schließlich war der Umbruch in Dresden noch größer. Außenangreiferin Emma Cyris beendete überraschend schon im Alter von 20 Jahren ihre Karriere, und auch Libera Lenka Dürr hat aufgehört. Der US-amerikanische Neuzugang Jacqueline Quade erlitt in der Vorbereitung einen Kreuzbandriss und fällt daher lange aus. Die beiden deutschen Nationalspielerinnen Lena Stigrot und Camilla Weitzel wechselten zudem in die italienische Liga, so dass außer Kapitänin Jennifer Janiska fast die gesamte Stammformation ersetzt werden musste.
Nicht alle Abgänge konnte der Dresdner SC mit Neuverpflichtungen kompensieren, weshalb Cheftrainer Alexander Waibl erneut dazu gezwungen ist, auf junge Spielerinnen aus dem eigenen Nachwuchs zu setzen. Doch deren Entwicklung braucht Zeit. »Wir freuen uns darauf, dass es wieder losgeht, aber wir sind noch nicht auf dem Niveau, das wir anstreben«, sagte Waibl daher. »Dieser Supercup kommt daher für uns zu früh.«
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