Wahlerfolg gegen den Trend

In Teltow-Fläming liegt Kornelia Wehlan (Linke) vor der Landratsstichwahl vorn

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

An der Bundesstraße 101 hängen im Landkreis Teltow-Fläming Wahlplakate, etwa in Kloster Zinna. Man könnte denken, diese seien nach der Bundestagswahl am 26. September versehentlich noch nicht entfernt worden. Aber nein! Es sind Plakate zur Landratswahl – und dabei geht es nach der ersten Runde vom 26. September jetzt am 10. Oktober in die Stichwahl.

Auf den ersten Blick überraschend: Landrätin Kornelia Wehlan (Linke) liegt in Front, hat am 26. September 26,3 Prozent der Stimmen erhalten, während ihre Partei bei der zeitgleichen Bundestagswahl in Teltow-Fläming nicht über neun Prozent hinauskam. Wehlan aber hatte einen Vorsprung von 5,7 Prozentpunkten beziehungsweise mehr als 5000 Stimmen auf die zweitplatzierte Landratskandidatin, ihre Ordnungsdezernentin Dietlind Biesterfeld (SPD). Zwischen diesen beiden Politikerinnen entscheidet sich nun, wer die Kreisverwaltung künftig leitet. Die Kandidaten von AfD, CDU, FDP, Grünen und Freien Wählern sind ausgeschieden.

Abgeräumt hat Wehlan in ihrer Heimatstadt Luckenwalde, wo sie knapp 47 Prozent der Stimmen holte, aber auch in den ländlichen Gegenden im Süden des Landkreises, zum Beispiel in Jüterbog (34 Prozent) und Baruth (31 Prozent). Dort hatte sie mehr als zehn Prozentpunkte Vorsprung auf Biesterfeld. Im Norden, wo der Landkreis an Berlin grenzt, sah es anders aus. Aber dort gab es in Ludwigsfelde ein so nicht erwartetes Kopf-an-Kopf-Rennen. Wehlan lief hier nur einen Prozentpunkt hinter Biesterfeld ein, obwohl Ludwigsfelde zum Bundestagswahlkreis von Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) gehört – und der hatte den Sozialdemokraten mit seiner Popularität nicht nur einen Sieg in sämtlichen brandenburgischen Bundestagswahlkreisen beschert, sondern auch zur Wahl der SPD-Landratskandidatin Biesterfeld aufgerufen, die sich bei Terminen von Scholz in Ludwigsfelde an seine Fersen heftete. »Ich empfehle Dietlind Biesterfeld als künftige Landrätin von Teltow-Fläming«, hatte Scholz erklärt. Sie habe einen klaren Plan für die Zukunft. Die Ordnungsdezernentin selbst versprach zum Beispiel, sie wolle weiterhin etwas gegen illegale Müllablagerungen unternehmen.

Was ihr Traumergebnis in der Kreisstadt Luckenwalde betrifft, sagt Landrätin Wehlan: »Ich bin überparteilich gewählt worden. Anders ist es nicht zu erklären.« Als Landrätin hat sie einiges getan, um sich Vertrauen über klassische Parteibindungen hinaus zu erwerben. Nie hat sie in den zurückliegenden acht Jahren eine gesicherte Mehrheit im Kreistag gehabt. »Die wollte ich auch nicht haben«, sagt sie. Stattdessen gab es ein Wetteifern um die besten Ideen und Abstimmungen mit wechselnden Mehrheiten. Die Erfolge, die damit erzielt worden, bezeichnet Wehlan als »tolle Mannschaftsleistung«.
An Stellen, wo andere Politiker »ich« sagen würden, benutzt die 60-Jährige das kollektive »wir«. Ein Erfolg ist ein Medizinisches Versorgungszentrum in Baruth, um das lange gerungen wurde und das nun in die Spur kommt. Getragen wird es von einer kommunalen GmbH, womit in Teltow-Fläming bei der Gesundheitsversorgung neue Wege beschritten werden.

»Die Tätigkeit einer Landrätin ist keine Arbeit, die einem leicht von der Hand geht«, gesteht Wehlan. »Man braucht viel Kraft und Ideen, Ausdauer und Durchsetzungsvermögen, Bündnisse und Vertrauen, Liebe zur Region und zu den Menschen.« Sie habe ihr Bestes gegeben und das Glück gehabt, sich auf engagierte Mitarbeiter und Mitstreiter in Verwaltung, Parlament und Öffentlichkeit sowie auf Verständnis und Bestärkung durch ihre Familie stützen zu können. Das Konzept überzeugte auch Evelin Kierschk, eine rührige und vor Ort ziemlich bekannte Ehrenamtliche aus der Senioren- und Behindertenarbeit. Obwohl seit Jahrzehnten Sozialdemokratin, erklärte Kierschk öffentlich: »Kornelia Wehlan ist bodenständig und von hier. Meine Stimme hat sie.« Für diese Aussage wurde Kierschk in der SPD derart hart angegangen, dass sie inzwischen aus der Partei ausgetreten ist.

SPD-Kandidatin Biesterfeld stammt übrigens aus Nordrhein-Westfalen. »Zusammen können wir Großes erreichen«, verheißt sie den Bürgern in einem Wahlwerbespot, für den sie unter anderem auf ein Fahrrad gestiegen ist. Auch Wehlan war in einem Wahlspot radelnd zu sehen. Vor der Stichwahl soll am Montagabend noch ein neuer Spot veröffentlicht werden, für den am Donnertag gedreht wurde. Dabei geholfen hat der Linke-Kreisvorsitzende Felix Thier, der für das ausgezeichnete und vom Bundestrend abweichende Wahlergebnis von Wehlan vom 26. September auch nur eine Erklärung hat: »Es war eine Personenwahl, definitiv.« Während Wehlan bei der ersten Runde der Landratswahl ungefähr dreimal besser abgeschnitten hat als die Linke bei der Bundestagswahl in Teltow-Fläming, blieb Dietlind Biesterfeld unter den Ergebnissen der SPD.

»Toll« nennt die Linke-Landesvorsitzende Katharina Slanina das Ergebnis von Wehlan. »Das kann nur daran liegen, dass sie bürgernah ist und den Landkreis nach vorn gebracht hat.«

Bislang gab es keine Aufrufe schon ausgeschiedener Landratskandidaten, für Wehlan oder Biesterfeld zu stimmen. Für Wehlan kommt es nun darauf an, ihre Wähler für die Stichwahl zu mobilisieren. Dabei helfen jetzt auch Genossen aus anderen Landkreisen. Am Sonntag war Wehlan in Ludwigsfelde unterwegs. Wichtig ist am 10. Oktober nicht allein, die Nase vor Biesterfeld zu haben. Zusätzlich muss Wehlan – so ist es in Brandenburg bei Landratsdirektwahlen vorgeschrieben – mindestens 15 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten auf sich vereinigen. Misslingt dies, zählt der Sieg nicht – und der Kreistag bestimmt über den Landratsposten.

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