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Sieg von der Seitenlinie
RB Leipzig gewinnt spät gegen den VfL Bochum – dank der richtigen Wechsel
Jesse Marsch hielt es nach dem 2:0 nicht mehr in seiner Coaching-Zone. Der bleierne Krisendruck musste entweichen, und RB Leipzigs Trainer stürmte zur Mannschaft und umarmte erst Amadou Haidara und dann André Silva innig. So emotional wie beim schwer erkämpften 3:0 (0:0) gegen den Tabellenvorletzten VfL Bochum mit drei späten Toren war der Leipzigs Coach noch nie aufgetreten. Dennoch war es nachvollziehbar, denn von wettbewerbsübergreifend zehn Spielen verloren die Leipziger bislang die Hälfte und konnten nur vier Siege einfahren – zu wenig für den Vizemeister mit großen Ambitionen.
Mit der Einwechslung von Torschütze André Silva und Vorlagengeber Dominik Szoboszlai bewies Marsch diesmal ein glückliches Händchen. Das Duo löste nur 36 Sekunden nach seiner Einwechslung mit dem befreienden Tor zum 1:0 (70.) nach einer Ecke den Knoten, den sich die Leipziger zuvor in Beine und Köpfe gespielt hatten. Danach lief es zehn Minuten lang perfekt. Christopher Nkunku legte nach toller Vorlage von Silva in die Schnittstelle erst das 2:0 nach (73.), dann das 3:0 mit einem Außenristlupfer (78.).
Auch Marsch traf diesmal die richtigen Entscheidungen, indem er im Mittelfeld auf eine Raute umstellte, um so gegen die vielen langen Bälle der Bochumer besser gestaffelt zu stehen. Nach einer Stunde nahm er den wirkungslosen Angeliño vom Platz und stellte mit Nordi Mukiele auf Viererkette um. Zum ersten Mal in seiner Zeit bei Rasenballsport beeinflusste der US-Amerikaner so den Spielausgang positiv und tat das, was er vor dem Spiel angekündigt hatte: der Mannschaft mehr zu helfen. Dazu zählen auch gelungene Einwechslungen und taktische Reaktionen auf den Spielverlauf, was ihm etwa beim 1:2 in der Champions League unter der Woche gegen Brügge nicht gelungen war.
Dass gerade Stürmer Silva die Verkrampfung löste, war eine eigene Pointe dieses Spiels. »Es lief nicht perfekt für André und auch nicht für uns – das brachte Stress«, sagte Marsch. Er erklärte dem 23-Millionen-Euro-Neuzugang vor der Partie, dass er zunächst Yussuf Poulsen in den Abnutzungskampf schicke und Silva dann profitieren könne. Genauso kam es. »Das ist ein sehr wichtiger Moment für André und für uns«, sagte Marsch. »Er ist ein überragender Spieler und Mensch. Ich bin sehr froh für ihn.«
In eigener Sache war der angeschlagene Coach nach dem Match keineswegs euphorisch, eher nüchtern bis einsilbig. Das wird an den Problemen gelegen haben, die RB gegen die limitierten Bochumer lange Zeit gezeigt hatte. Der VfL machte es wie Brügge, schob die Abwehr bis zur Mittellinie vor und nahm die Leipziger in Manndeckung. Dieses simple Mittel genügt gerade, um Leipzigs Spielaufbau massiv zu stören. Zwischen der 25. und 65. Minute fiel RB zurück in die Verunsicherung aus dem Brügge-Spiel.
Emil Forsberg, bisweilen auch Yussuf Poulsen, ließen sich zwar oft tief fallen, um die Bälle aufzunehmen, doch das fruchtete nicht wie gewünscht. Auch die vom Team präferierte Dreier- beziehungsweise Fünferkette in der Abwehr brachte nicht die erhofften Lösungen im Spielaufbau. »Es läuft nicht perfekt, sich freizulaufen ist nicht einfach. Sicher können wir in ein paar Situationen auch mal einen langen Ball spielen«, analysierte Marsch und forderte: »Wir müssen besser mit dem Ball sein und mehr Lösungen haben, aber wir müssen auch verstehen, wann wir mal hinter die Kette spielen können«.
Dazu kam der Chancenwucher. Forsberg hatte gleich zu Beginn zwei große Gelegenheiten; Nkunku vergab die größte Möglichkeit, als er nicht auf den mitgelaufenen Poulsen querlegte, sondern eigensinnig selbst ein Schüsschen abgab, das Bochums Keeper Manuel Riemann festhielt (29.). Und auch bei Schiedsrichterentscheidungen haben die Leipziger gerade Pech. Dass Referee Robert Hartmann seinen Elfmeterpfiff nach einem Tritt von Bochums Außenverteidiger Herbert Bockhorn mit offener Sohle gegen Poulsen nach Ansicht der Videobilder zurücknahm, war eine Fehlentscheidung (4.).
Nach der Partie versammelte der Coach die Spieler vor der Länderspielpause im Mannschaftskreis auf dem Rasen und redete eindringlich auf sie ein. »Es ging um unsere Entwicklung, dass wir stärker von unserem Schwierigkeitsgrad her sein müssen«, verriet Marsch. Auch ihm ist bewusst, dass die kommenden Gegner wie Freiburg, erst recht Paris St. Germain, Phasen der Verunsicherung – von der Chancenverwertung gar nicht zu reden – viel besser ausnutzen als es Bochum tun konnte. Noch ist nicht abzusehen, dass sich RB Leipzig stabilisiert.
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