Berliner Krankenhausbewegung mobilisiert Tausende

Große Demonstration am Samstag im Arbeitskampf mit Vivantes – neue Verhandlungen geplant

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Du solltest in Panik geraten, Berlin. Weil Pflegenotstand töten kann. Auch dich und deine Mutter«, sagt Rednerin Isabel am Samstag auf der Demonstration der Berliner Krankenhausbewegung. Nicht der Streik gefährde die Patienten, sondern der Normalzustand. »Der Markt wird es nicht richten, der hat keine Mutter«, wird der Redebeitrag auf dem Twitter-Account der Bewegung weiter zitiert.

Der Demonstrationszug war um 12 Uhr am Hermannplatz in Berlin-Neukölln gestartet. »Wir kämpfen seit dem 12. Mai für Entlastung und faire Löhne – mit einem 100-Tage-Ultimatum, 31 Tagen Streik und bis zu 32-stündigen Verhandlungen«, so Meike Jäger, Verdi-Landesfachbereichsleiterin für Kliniken, Pflegeheime und weitere Institutionen des Gesundheitsbereichs. »Man müsste meinen, dass die Bewegung schon am Boden liegt. Aber sie steht perfekt«, sagt die Gewerkschafterin.

Bis zu 5000 Menschen sollen sich nach Angaben der Veranstalter zunächst auf den Weg zum Kreuzberger Urban-Krankenhaus des landeseigenen Vivantes-Klinikkonzerns und später zur SPD-Bundeszentrale auf den Weg gemacht haben. Die Polizei spricht von einer Zahl »im unteren vierstelligen Bereich«.

Das Motto des Protests lautet: »Wir helfen euch – Wer rettet uns?« Die Organisatoren fordern ein Einschreiten der Berliner Landespolitik im Tarifstreit bei den Tochterfirmen des Klinikkonzerns Vivantes. Mit der Charité konnte am Donnerstag eine grundsätzliche Einigung erzielt werden (»nd« berichtete), auf deren Basis in den kommenden Wochen ein Tarifvertrag ausgearbeitet werden soll. Es geht vor allem um ein vernünftiges Verhältnis von Beschäftigtenzahlen und Patienten.

Am Freitag teilten Vivantes und Verdi mit, dass diesen Montag die Verhandlungen immerhin wieder aufgenommen werden sollen. Schwerpunkt der dem vorausgegangenen Gespräche »waren nach wie vor Personalbemessungen und Besetzungskennzahlen für die bettenführenden Bereiche in der Somatik und Psychiatrie und die Funktionsbereiche«, so Vivantes in einer Mitteilung.

Als eine Art Moderator fungierte bei dem Treffen, das am Donnerstag stattfand, der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Am Donnerstag soll über die Bezahlung in den Vivantes-Tochtergesellschaften wie dem Reinigungsunternehmen Vivaclean verhandelt werden. Bis zu 900 Euro weniger im Monat verdienen Beschäftigte im Vergleich zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Am Verhandlungstag soll der Streik ausgesetzt werden. Dorothea Schmidt, Geschäftsführerin für den Personalbereich bei Vivantes, zeigt sich »optimistisch, dass wir in weiteren Verhandlungen zeitnah eine Einigung erzielen können«.

Gewerkschaftsmitglieder berichten, dass Schmidt nicht erwartet haben soll, dass gering bezahlte Beschäftigte einen Streik so lange durchhalten können. Denn das Streikgeld der Gewerkschaft beträgt nur 80 Prozent des regulären Einkommens.

Zusätzliche Unterstützung kommt durch eine Spendenaktion auf der Online-Plattform Betterplace. In weniger als drei Wochen sind bis Sonntagmittag über 57 000 Euro zusammengekommen, die auf die streikenden Beschäftigten verteilt werden. Der Anstoß zu der Aktion der Krankenhausbewegung kam von den Kindern einer verstorbenen Patientin in einer Berliner Klinik. Sie spendeten einem Streikposten vor dem Krankenhaus 50 Euro, berichtet eine Gewerkschafterin. Das wäre im Sinne ihrer Mutter gewesen, sollen sie noch gesagt haben. Die große Spendenbreitschaft zeige: »Die Krankenhausbewegung hat enormen Rückhalt für ihre Forderungen und vor allem dafür, für diese auch zu streiken«, heißt es auf Betterplace. Mit dpa

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