- Berlin
- Coronatestregeln
Kein Coronacheck für lau
Viele Ungeimpfte müssen auch in Berlin seit Montag für einen Schnelltest zahlen
Wer am Montagmorgen auf die Schnelle noch einen Coronatest machen lassen wollte, stand mancherorts in Berlin vor verschlossenen Türen. So beispielsweise am Wriezener Karree 15 in Friedrichshain, wo seit Dezember 2020 viele Tausend Menschen unkompliziert und meist reibungslos getestet wurden. Nichts an der riesigen Halle, die einst ein Möbeldiscounter betrieben hatte, erinnerte mehr an das Corona-Schnelltest-Zentrum. Lediglich an der verschlossenen Eingangstür baumelte noch ein A4-Blatt, das zur Einhaltung der Hygiene- und Infektionsschutzregeln mahnte. Wer im Internet rasch noch einen Termin in dem Corona-Schnelltest-Zentrum buchen wollte, kam nicht weiter und fand schließlich erst auf der Homepage der Senatsverwaltung für Gesundheit die klare Ansage: »Das Test-to-go Angebot wurde zum 11.10.2021 beendet.«
Weitaus auskunftsfreudiger erwies sich da die Website coronatest-finden.de, auf der es hieß: »Achtung, kostenlose Bürgertests ab 11.10.2021 nur noch eingeschränkt verfügbar! Bitte erkundige dich telefonisch oder online direkt bei der Teststelle deiner Wahl, welche Tests zu welchen Preisen angeboten werden.« Denn auch, dass die Schnelltests fortan nicht mehr für jedermann kostenlos zur Verfügung gestellt werden, dürfte für manchen Zeitgenossen eine schmerzhafte Erkenntnis gewesen sein.
- Generell kann sich jede Person in Testzentren testen lassen. Seit dem 11. Oktober sind PoC-Antigen-Schnelltests nicht mehr kostenfrei - mit bestimmten Ausnahmen.
- Kostenlos sind die Schnelltests ab sofort nur noch für Personen, die keine zumutbare Möglichkeit hatten, rechtzeitig einen ausreichenden Impfschutz zu erlangen - unter anderem Schwangere im ersten Drittel, Kinder unter 12 Jahren und Personen, die aus medizinischen Gründen nicht gegen das Coronavirus geimpft werden konnten. Selbiges gilt für Menschen, die an einer klinischen Studie zur Wirksamkeit von Impfstoffen gegen das Coronavirus teilnehmen.
- An Corona erkrankte Personen, die sich in Quarantäne befinden, erhalten einen kostenlosen Test zur Beendigung der Selbstisolation.
- Bis 31. Dezember 2021 haben Personen unter 18 Jahren, Schwangere und Studierende aus dem Ausland, die mit einem nicht vom Paul-Ehrlich-Institut empfohlenen Impfstoff immunisiert wurden, Anspruch auf einen kostenlosen Schnelltest. tm
Die Senatsverwaltung für Gesundheit hatte allerdings bereits in der vergangenen Woche in einer ausführlichen Mitteilung über die anstehenden Veränderungen informiert: »Am Montag, dem 11. Oktober 2021, tritt die neue Coronavirus-Testverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 21. September 2021 in Kraft«, heißt es da. »Darin ist eine staatliche Kostenübernahme der Coronatests für alle Bürger*innen nicht länger vorgesehen.« Das bedeutet, dass grundsätzlich jeder erwachsene Bürger die Testkosten, die durch den freien Markt bestimmt werden, selber tragen muss. Lediglich einzelne Personengruppen sind von dieser Regelung ausgenommen. Demnach können ab sofort nur noch »symptomfreie Personen, die keine zumutbare Möglichkeit hatten, rechtzeitig einen ausreichenden Impfschutz zu erlangen, sowie symptomfreie Personen in Quarantäne« einen kostenlosen Schnelltest in Anspruch nehmen. Seit diesem Montag sind übrigens auch die Teststellen in der Stadt auf der Internetseite direkttesten.berlin zu finden (nicht wie bisher unter test-to-go.berlin).
Bund und Länder hatten sich nach kontroversen Diskussionen nicht zuletzt vor dem Hintergrund der schleppenden Impfkampagne in Deutschland auf diese Regelung bereits im August geeinigt. Da mittlerweile allen Bürgerinnen und Bürgern ein Impfangebot gemacht werden könne, sei eine dauerhafte Übernahme der Kosten für alle Tests durch den Bund und damit den Steuerzahler nicht länger erforderlich, argumentiert das Bundesgesundheitsministerium. Und so erklärte denn auch Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD): »Es ist gut, dass wir allen Berlinerinnen und Berlinern ein Impfangebot machen können - in unseren Impfzentren, durch unsere Mobilen Impfteams sowie bei den Haus- und Betriebsärzt*innen.«
Allerdings sollen die Corona-Schnelltests in Berlin für weitere Menschen mit wenig Einkommen kostenfrei bleiben. Das kündigte Gesundheitsstaatssekretär Martin Matz (SPD) am Montag im RBB-Inforadio an. »Das wollen wir berlinweit machen«, sagte er mit Blick auf die Ankündigung Neuköllns, in dem Bezirk so zu verfahren. »Weil wir an der Stelle sagen, es gibt eben doch Personenkreise, für die zwölf oder 15 Euro sehr viel sind.« Deshalb würden Empfänger von Transferleistungen von der seit Montag bundesweit geltenden Regelung, nach der Schnelltests kostenpflichtig sind, ausgenommen. Matz geht davon aus, dass die Tests bei privaten Anbietern etwa zwölf bis 19 Euro kosten werden. In jedem Bezirk arbeite auch eine staatliche Teststelle, wo sich diejenigen Menschen, die nicht zahlen müssen, testen lassen können.
Matz sagte, er rechne nicht damit, dass infolge der neuen Regeln deutlich weniger Tests durchgeführt werden als bisher. In den Schulen werde weiter regelmäßig getestet, und vor Veranstaltungen und überall da, wo der Zutritt für Geimpfte, Genesene und Getestete (3G) gelte, seien die Tests erforderlich. Die Alternative sei das Impfen. »Es gibt für jeden und jede die einfachere Möglichkeit, sich impfen zu lassen«, betonte er.
Für mehr Impfanreize spricht sich auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin aus. »Je mehr Menschen geimpft sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, die Pandemie endlich in den Griff zu bekommen. Diese Perspektive braucht auch die Berliner Wirtschaft nach der langen Zeit der Krise«, erklärte IHK-Geschäfsführer Henrik Vagt. Allerdings entstünden den Unternehmen einseitig Probleme, da sie weiterhin kostenlose Coronatests für die Beschäftigten anbieten müssten, beklagte er. »Damit besteht nicht nur die Gefahr, dass die angestrebten Impfanreize untergraben werden, sondern es werden auch einseitig Kosten auf die Unternehmen abgewälzt.« Zu den betroffenen Branchen mit direktem Kundenkontakt zählte er die schwer gebeutelte Veranstaltungsbranche. Grundsätzlich stelle sich die Frage, ob die generelle Testangebotspflicht für Arbeitgeber noch zeitgemäß sei, so Vagt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.