Ein Nobelpreis für den Mindestlohn

Kanadischer Ökonom David Card erhält renommierte Auszeichnung für Forschung zu Lohnuntergrenzen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Was wurde seinerzeit vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns gewarnt. »So dürfte die gegenwärtig geforderte Einführung eines Mindestlohns in der Höhe von 8,50 Euro erhebliche negative Beschäftigungseffekte haben«, prophezeiten etwa im Frühjahr 2013 führende deutsche Wirtschaftsinstitute in ihrer Gemeinschaftsprognose. Über eine Million Arbeitsplätze seien bedroht, wurde damals auch von anderen gewarnt.

So gekommen ist es bekanntlich nicht. Und manch hiesiger Ökonom wäre wahrscheinlich entspannter gewesen, hätte er die Arbeit des Ökonomen David Card genauer studiert. Der Kanadier untersuchte nämlich zusammen mit dem bereits verstorbenen Forscher Alan Krueger Anfang der 1990er Jahre die Auswirkungen von Mindestlohnerhöhungen in der US-Fast-Food-Industrie. Card kam letztlich zu dem Ergebnis, dass Mindestlöhne kaum einen negativen Beschäftigungseffekt haben, dafür aber Ungleichheit verringern und Produktivität erhöhen. Darüber hinaus beschäftigte er sich unter anderem mit den Themen Migration und Bildung.

Wer nun denkt, Card sei einfach nur einer jener üblichen linken Ökonomen: Für seine Forschungen zum Mindestlohn erhält der an der kalifornischen US-Eliteuni Berkeley lehrende Wissenschaftler den diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis. »Seine Studien aus den frühen 1990er Jahren stellten konventionelle Weisheiten infrage und führten zu neuen Analysen und zusätzlichen Erkenntnissen«, begründete die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften, die die Preise vergibt, ihre Entscheidung.

Card erhielt die Auszeichnung zusammen mit den ebenfalls in den USA lehrenden Ökonomen Joshua Angrist und Guido Imben. Die beiden teilen sich eine Hälfte des diesjährigen Nobelpreises für ihre methodischen Beiträge zur Analyse von Kausalbeziehungen. Dabei ist der Wirtschaftsnobelpreis eigentlich kein »richtiger« Nobelpreis, wie Kritiker*innen regelmäßig einwenden. Schließlich wurde er im Gegensatz zu den anderen Auszeichnungen nicht vom Namensgeber, Alfred Nobel, selbst gestiftet. Korrekt heißt der Wirtschaftsnobelpreis »Preis der Schwedischen Nationalbank in Wirtschaftswissenschaft in Erinnerung an Alfred Nobel«. Er wurde 1968 von der schwedischen Zentralbank anlässlich ihres 300-jährigen Bestehens gestiftet. 1969 wurde er das erste Mal vergeben. Vergangenes Jahr ging er an die US-Ökonomen Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson.

Hierzulande wurde die diesjährige Verleihung an Card & Co. positiv aufgenommen. »Bin super happy über die Auswahl und kann mir keine würdigeren Preisträger vorstellen als diese drei«, schreibt etwa der in Düsseldorf lehrende Ökonom Jens Südekum auf Twitter. Er schätzt, dass mindestens 60 Prozent »aller heutigen VWL-Doktorand*innen in ihrer aktuellen Forschung Techniken anwenden, die maßgeblich von Card, Angrist oder Imbens entwickelt oder inspiriert wurden«. Auch für den Forscher Rudi Bachmann ist der Preis »absolut« verdient. »Die drei haben mit dem zu früh verstorbenen Alan Krüger die empirische Mikrooekonomik revolutioniert, von der Arbeitsmarktoekonomik, zur Finanzwissenschaft, etc.«, so Bachmann ebenfalls auf Twitter.

»Die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an David Card, Joshua Angrist und Guido Imbens unterstreicht die Bedeutung der empirischen Wirtschaftsforschung, eine bessere und verlässlichere Grundlage für Entscheidungen der Politik zu ermöglichen«, teilte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, mit. Die Erfahrung mit der Einführung des Mindestlohns in Deutschland bestätigt laut Fratzscher die Arbeiten von Card. »Es wäre gut, wenn sich die Kritikerinnen und Kritiker des Mindestlohns in Deutschland diese bahnbrechende Arbeit aus den 1990er Jahren vor Augen führen würden.«

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