Showdown im Milliardenspiel

Vorwürfe von Bewertungstricks und Vetternwirtschaft lassen den Immobilienriesen Adler taumeln

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Eine massive Überbewertung der eigenen Immobilienbestände und Projektentwicklungen sowie die Plünderung von Vermögenswerten zugunsten einer kleinen Clique von Geschäftsfreunden: Die Vorwürfe von Viceroy Research gegenüber der Berliner Adler Group S.A., die ihren steuerlichen Sitz in Luxemburg hat, sind massiv.

Das 61-seitige Dossier von Viceroy Research hat in den Finanzmärkten eingeschlagen wie eine Bombe. Um über ein Viertel auf nur noch 10 Euro ist der Aktienkurs der Adler Group am Tag der Veröffentlichung des Berichts eingebrochen. Bis Mittwochgegen 15 Uhr ist der Kurs zwar wieder auf rund elf Euro gestiegen, zu Jahresbeginn waren die Papiere allerdings noch 29 Euro wert. Das Geschäftsmodell von Viceroy Research besteht aus der Wette auf sinkende Aktienkurse. Das Londoner Unternehmen hat als eines der ersten auf Unregelmäßigkeiten beim Zahlungsdienstleister Wirecard hingewiesen, der 2020 eine veritable Milliardenpleite hingelegt hatte.

»Man sollte den Report mit einer gewissen Vorsicht genießen, da natürlich finanzielle Interessen dahinterstecken. Doch gerade der Vorwurf, dass bei den Bewertungen getrickst worden ist, könnte berechtigt sein«, sagt Christoph Trautvetter zu »nd«. Der Finanz- und Steuerexperte arbeitet für die linksparteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung am Projekt »Wem gehört die Stadt?«, mit dem die Besitzverhältnisse am Berliner Immobilienmarkt transparent gemacht werden sollen. »Das Discounted-Cashflow-Verfahren hat einfach ein großes Risiko der Überbewertung«, so Trautvetter weiter. Denn es basiert auf erwarteten Mieteinnahmen der nächsten Jahrzehnte abzüglich erwarteter Kosten. Oft auf der Annahme üppiger künftiger Mieterhöhungen. Auch der Signa-Group des österreichischen Milliardärs René Benko werden Vorwürfe gemacht, ihre Immobilien überzubewerten. »Discounted Cashflow ist Alchemie«, sagte erst kürzlich der Bodenbewertungsexperte Fabian Thiel von der University of Applied Sciences Frankfurt am Main.

Auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist die Adler Group ein durchaus relevanter Player. An die 20 000 Mietwohnungen gehören zum Firmenimperium in der Hauptstadt, das unter anderem aus den Vermietungsgesellschaften Westgrund, Adler Real Estate sowie dem Projektentwickler Consus besteht. Die Muttergesellschaft firmierte bis zu einer komplexen Fusion, die von Ende 2019 und bis ins Jahr 2020 vonstatten ging, unter dem Namen Ado Group. Bundesweit vermietet die Gruppe (noch) rund 70 000 Wohnungen.

Im Fokus der Beschuldigungen steht der im österreichischen Sankt Pölten geborene Geschäftsmann Cevdet Caner, der nur indirekt an einem der Hauptaktionäre der Adler Group, der luxemburgischen Mezzanine IX Investors, beteiligt ist. Seine Ehefrau Gerda Caner und deren Bruder Josef Schrattbauer kontrollieren Mezzanine IX zu zwei Dritteln.
Am Montag teilte Caners Anwalt mit, Strafanzeige gegen den »berüchtigten Leerverkäufer Fraser Perring und sein Unternehmen Viceroy Research« gestellt zu haben. Ihr liege der »begründete Verdacht« zugrunde, dass Perring und weitere Mitwirkende sich »durch die Veröffentlichung ihres Berichts strafbar gemacht« hätten. Direkt nach Veröffentlichung des Reports reagierte auch die Adler Group mit einer Stellungnahme. Es sei »nachweislich falsch«, dass »die von Adler in ihren Bilanzen angesetzten Immobilienwerte überhöht seien«, hieß es da.

Co-Konzernchef Maximilian Rienecker hatte bereits zwei Tage vor Veröffentlichung des Viceroy-Reports angekündigt, bis zu 60 000 Wohnungen verkaufen zu wollen, um von den hohen Schulden herunterzukommen. Diesen Montag verkündete der Konzern, eine Absichtserklärung über den Verkauf von über 15 000 Wohnungen in Norddeutschland an den Konkurrenten LEG geschlossen zu haben. Bereits Ende vergangener Woche hatte der Immobilienriese Vonovia, der gerade die Deutsche Wohnen geschluckt hat, sich eine Option auf 13,3 Prozent der Anteile der Adler Group gesichert. Verkäufer ist die Aggregate Holdings, die im Gegenzug einen Kredit im niedrigen dreistelligen Millionenbereich »zu marktüblichen Konditionen« von Vonovia erhalten hatte. 18 Monate hat der größte Wohnungskonzern Europas nun Zeit, die Option einzulösen.

»Es ist erstaunlich, dass sich die Immobilienwirtschaft vom Enteignungs-Volksbegehren scheinbar gänzlich unbeeindruckt zeigt«, sagt Marcel Eupen, Vorsitzender des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbunds zu »nd«. Sein Verein vertritt unter anderem Mieterinnen und Mieter von Beständen der Adler Group. Die Sorge ist, dass der jetzt schon hohe Renditedruck bei einem Weiterverkauf von Wohnungen noch einmal steigt.
»Erst Ende August haben rund 700 Mietparteien der Adler Group in der Spandauer Rudolf-Wissell-Siedlung Mieterhöhungsverlangen bekommen«, berichtet Eupen. Bei allen bisher überprüften Mieterhöhungsverlangen seien bereits die bisher gezahlten Mieten überhöht gewesen. Mieterhöhungen bis an die 40 Euro monatlich seien ein Problem in einer Gegend wie der Wissell-Siedlung, wo die »Ärmsten der Armen« wohnen.

Überbewertet sollen laut Viceroy Research auch diverse Immobilienentwicklungsprojekte sein, da von einer Fertigstellung nicht auszugehen sei. Dazu gehört auch der Umbau des Steglitzer Kreisels zum Wohnhochhaus. Ursprünglich hätte er Ende 2021 fertig sein sollen, nun ist von 2024 die Rede. Angeleiert worden ist das Projekt von der CG Gruppe von Christoph Gröner, die als Consus RE inzwischen zur Adler Group gehört.

Die Integration der CG Gruppe wird von Viceroy Research auch als »größte der Plünderungstransaktionen« bezeichnet. Consus übernahm 2017 von Aggregate Holdings und Gründer Gröner 59 Prozent der Anteile für 872 Millionen Euro, der Löwenanteil wurde in Aktien bezahlt. Ein Jahr zuvor hatte eine spätere Tochter für die Hälfte der Anteile der CG Gruppe gerade mal 49 Millionen Euro bezahlt, wie die »Wirtschaftswoche« damals berichtete. Diese Holding wird wiederum vom Österreicher Günther Walcher kontrolliert, der schon beim Immobilienunternehmen Level One von Cevdet Caner mitgemischt haben soll. Deren Pleite 2008 mit 1,5 Milliarden Euro Schulden gilt als bisher zweitgrößte in der deutschen Immobilienbranche.

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