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Beton statt Beteiligung

Verbände und Initiativen kritisieren Sondierungsergebnisse von SPD, Grünen und Linke

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein reiner Akklamationsparteitag für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit SPD und Grünen wird es diesen Dienstag für Die Linke nicht werden. Das lässt allein schon der »nd« vorliegende Antrag erkennen, der eine Verankerung der Umsetzung des Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen im Koalitionsvertrag fordert. Für Die Linke sei es »eine zwingende Voraussetzung« für eine Koalition, »dass dem Abgeordnetenhaus vom zukünftigen Senat ein Vergesellschaftungsgesetz vorgelegt wird«, heißt es in dem von sieben Parteimitgliedern gestellten Antrag, darunter Landesvorstand Moritz Warnke und die drei Mitglieder der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Elif Eralp, Niklas Schenker und Katalin Gennburg.

»Das Verhältnis von einem Prüfauftrag für diesen klaren Volksentscheid zur reinen Orientierung auf ein Neubaubündnis hält der Realität und der eingeleiteten stadtpolitischen Wende nicht stand«, sagt Gennburg zu »nd«. Laut Sondierungspapier vom Freitag soll eine Expertenkommission unter Beteiligung der Initiative »Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens« prüfen und innerhalb eines Jahres eine Empfehlung an den Senat geben, der dann entscheidet. Im Kern basiert das auf einem Verfahrensvorschlag des Stadtsoziologen Andrej Holm sowie des Geschäftsführers des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Allerdings setzten sie nur ein halbes Jahr Kommissionsarbeit an, um die Eckpunkte eines Vergesellschaftungsgesetzes festzulegen, auf die die Erarbeitung des Gesetzentwurfs folgen sollte. Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen kritisierte bereits am Samstag die »Verschleppung des Volksentscheids« im Sondierungspapier. Linke-Spitzenkandidat Klaus Lederer wies im RBB-Inforadio die Kritik der Initiative zurück. So ein Gesetz falle nicht vom Himmel, »sondern da ist ein Arbeitsprozess nötig«, sagte er.

Der Schwerpunkt im Sondierungspapier liegt auf dem Wohnungsneubau. Postuliert wird dort das Ziel von 20 000 neuen Wohnungen pro Jahr. Dafür soll auch der Stadtentwicklungsplan Wohnen überarbeitet werden, um »zusätzliche Wohnungsbaupotenziale zu erschließen«, heißt es in dem am späten Freitagnachmittag veröffentlichten Papier. Es ist eindeutig die politische Agenda von SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey.
»Grüne und Linke müssen sich für eine Fortsetzung des stadtentwicklungspolitischen Kurses einsetzen und dürfen sich nicht von Franziska Giffey über den Tisch ziehen lassen«, sagt Fabian Steinecke von Bizim Kiez zu »nd«. Zusammen mit weiteren, wie der Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld, Kotti & Co oder Bucht für Alle, warnen sie vor einem »Bündnis mit renditehungrigen Investoren, dafür weniger statt mehr Kooperation mit Stadtgesellschaft«.

Für Linke-Politikerin Gennburg ist das auch Teil der Frage, ob Die Linke überhaupt in eine Koalition eintreten soll. »Wenn wir absichern können, dass nicht die Berliner Beton-SPD mit besten Kontakten zum Immobilienfilz sich in puncto Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik durchsetzt, dann könnte es für uns einen klaren Auftrag zum Mitregieren geben«, schreibt sie auf Facebook. Dazu brauche es aber »Einsicht in die Notwendigkeit, den Ausverkauf der Stadt in Zeiten der finanzmarktgetriebenen Immobilienverwertung auch wirklich mit allen zur Verfügung stehenden Instrumenten und in gebotener Härte stoppen zu wollen«. Dazu reiche kein Mietenbündnis oder das Bekenntnis zu mehr Neubau.

Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, nennt das Ziel, 200 000 Wohnungen bis 2030 in Berlin bauen zu wollen, gegenüber »nd« »eine verfehlte Strategie«. »Man setzt sich unnötig unter Druck und die Zielzahl ist nicht erreichbar«, so Wild. »Wer soll denn die bezahlbaren Wohnungen bauen?«, will er wissen. Angesichts der absehbaren Umsetzungsprobleme stellt sich für Reiner Wild die Frage, ob die SPD wirklich so erpicht auf das Stadtentwicklungsressort sein sollte. Anscheinend habe man sich in der Partei bisher nicht viele Gedanken darüber gemacht. »Warum berät denn die Wohnungswirtschaft Franziska Giffey nicht besser?«, wundert er sich. Um dann zur Grundsatzkritik zu kommen: »Der Plan hängt der grundsätzlich problematischen Einstellung an, dass man über die Neubaumenge die Preise im Bestand beeinflussen kann.« Der Markt regle das aber nicht.

»Es ist relativ klar, dass zu den aktuellen Baukosten kein bezahlbarer Wohnraum entstehen kann«, sagt der Berliner BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser zu »nd«. Das im Sondierungspapier genannte »Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen« müsse sich angesichts der Herausforderungen von Klimakrise und einer alternden Gesellschaft auch mit der energetischen Sanierung und dem barrierefreien Umbau der Bestände widmen, fordert er. Natürlich auch unter Berücksichtigung sozialer Kriterien. Für den Neubau brauche es mehr ökologische Ziele als Gründächer. Auch Reiner Wild vermisst diese Punkte im Sondierungspapier.

Tilmann Heuser wiederum stößt »angesichts der doch eher verhaltenen Einwohnerentwicklung Berlins« auch die »deutlich bemerkbare Neubaufixierung« auf. 2020 stagnierte die Bevölkerungszahl in der Hauptstadt, auch 2021 dürfte das der Fall sein. Und weil in Deutschland und im Rest Europas die Zahl der 18- bis 30-Jährigen deutlich sinke, sei eher nicht von einer Wiederkehr der stürmischen Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts zu rechnen. »Es ist notwendig, eine Analyse zu machen, was in den letzten Jahren gebaut worden ist und was benötigt wird«, sagt Tilmann Heuser. Von Anfang 2017 bis Ende 2020 wurden rund 67 000 Wohnungen fertiggestellt, für weitere 65 000 gibt es Baurecht.

Katalin Gennburg will weiter dafür kämpfen, die »Spekulationsspiralen zu durchbrechen« und das Gemeingut Stadt in Bestand und Neubau zu sichern. Für sie ist klar: »Rebellische Stadtpolitik braucht es jetzt mehr denn je; ob mit oder ohne Regierungsbeteiligung!«

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