• Berlin
  • »Gerechtigkeit Jetzt«-Aktionstage

Gemeinsamer Kampf gegen das System

Ein breites Bewegungsbündnis will Druck auf Koalitionsverhandlungen machen

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.

Ist das Klima noch zu retten? Werden Menschen mit niedrigem Einkommen ihre Miete noch zahlen können? Haben Geflüchtete in Deutschland eine Perspektive? All das müsse sich bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen auf Bundes- wie auf Berliner Landesebene entscheiden, findet das Bündnis Gerechtigkeit Jetzt. Das will ab Freitag mit unterschiedlichen Aktionen Druck auf die Politik ausüben. Denn, so Bündnis-Sprecherin Ronja Weil: »Keine der Parteien hat auch nur ansatzweise eine Lösung für die Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit.«

Insgesamt 30 bundesweite und Berliner Gruppen aus der antirassistischen, Klimagerechtigkeits- und Mietenbewegung – darunter Fridays for Future, Ende Gelände, Mietenwahnsinn, Deutsche Wohnen und Co enteignen und Sea Watch – haben sich zu Gerechtigkeit Jetzt zusammengeschlossen, um zu zeigen, »dass sich unsere Kämpfe nicht gegeneinander ausspielen lassen«, wie Ronja Weil sagt. So erklärte beispielsweise Berlins designierte Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) vergangenen Monat im Wahlkampf, die Personalnot im Gesundheitswesen lasse sich ja ganz einfach beenden, »indem ich nicht 30 Milliarden Euro für Enteignungen ausgebe«.

Dabei »gehören unsere Kämpfe organisch zusammen, weil sie alle dieselbe Wurzel haben«, sagt Weil. Klima- und Wohnkrise seien ebenso wie Kriege, die Abschottung Europas und die extreme soziale Ungleichheit »Symptome der Ausbeutungslogik unseres kapitalistischen Systems«. Es brauche einen Wandel hin zu einer sozial gerechten und ökologischen Gesellschaft. »Die Lösungen liegen alle auf dem Tisch, nur der politische Wille fehlt«, sagt die 24-jährige Jura-Studentin, die seit 2018 bei Ende Gelände aktiv ist.

Jede Zelle ist voll aktiv. Die Klimabewegung macht sich warm für die anstehenden Wahlen und Koalitionsverhandlungen

Vom künftigen Berliner Senat fordert das Bündnis zum Beispiel die Umsetzung des Volksentscheids zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne. Es sei »ein Unding, dass Giffey die klare Mehrheit der Berliner*innen ignorieren und Wohnungspolitik nur für Reiche machen will«, findet Weil. Außerdem müsse die Hauptstadt so schnell wie möglich klimaneutral werden.

Deshalb beginnen die Aktionstage von Gerechtigkeit Jetzt am Freitag mit einem globalen Klimastreik vor dem Bundeskanzlerinnenamt, nur einen Monat nach dem vergangenen, vor den Wahlen im September. Anschließend wird es am Wochenende unter dem Motto »Ihr lasst uns keine Wahl« Aktionen zivilen Ungehorsams geben, auf die Aktionstrainings am Mittwoch und Donnerstag im Klimacamp vorbereiten. Am Sonntag wird für einen gerechten und ökologischen Umbau der Gesellschaft demonstriert – Motto: »Solidarisch geht anders«. Im Rahmen der »Konferenz der Visionen« sind vom 24. bis 27. Oktober schließlich Vorträge und Workshops an verschiedenen Orten in Berlin geplant. Den Abschluss bildet Defund Climate Chaos, der globale Aktionstag gegen fossile Finanzen – damit sind Investitionen in klimaschädliche Energieträger wie Kohle, Erdgas und Öl gemeint – am Freitag in einer Woche.

Hungern für ein Gespräch. Protestforscher Simon Teune über die gewaltfreie Radikalität der Klimagerechtigkeitsbewegung

»Wir wollen verschiedene Aktionsformen anbieten, damit die Aktionen für alle Menschen zugänglich sind und ein buntes Bild des Protests ergeben«, erklärt Ronja Weil. Die Politik bewege sich nur, wenn Leute in Massen auf die Straße gehen. Dass sich in der Klimapolitik nach drei Jahren Fridays for Future-Bewegung immer noch nicht genug getan habe, sei für viele zwar frustrierend, wirke aber auch radikalisierend. So kündigt Maia Stimming, Sprecherin von Fridays for Future, an, dass die Schüler*innen-Bewegung sich nicht mehr auf die Parteien verlassen, sondern »Veränderungen selbst in die Hand nehmen« wolle, denn: »Die Politik versucht, uns mit ihren Versprechen und Sonntagsreden zum Klimaschutz zu hintergehen«, so Stimming.

»Wut ist auch politisch«, sagt Ronja Weil. Sie selbst stört, dass sie aus dem System gar nicht ausbrechen könne. »Ich kann gar nicht anders, als auf dem Rücken anderer Menschen zu leben«, sagt sie. Die Privilegien von Menschen im globalen Norden gingen immer mit Ausbeutung einher. Das will Ronja Weil, wie viele andere Aktivist*innen auch, nicht länger akzeptieren. Ihre Wut soll ab Freitag in vielfältigem Protest in Berlin sichtbar werden.

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