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Die schwierige Frage nach der Herkunft
Ist es legitim, nicht weiße Menschen in Deutschland nach ihrer Herkunft zu fragen? Sanaz Azimipour meint: Nein, das ist es nicht!
In der letzten Zeit wurde wieder darüber debattiert, ob es legitim sei, Schwarze und People of Color (BPoC) in Deutschland zu fragen, woher sie denn kommen. Angestoßen wurde dies durch Aussagen der Autorin Elke Heidenreich, die bei Markus Lanz erklärte, sie halte das für positive Neugier und keine Diskriminierung. In der Debatte geht es meistens darum, dass nicht weißen Menschen wegen ihrer Hautfarbe das Deutschsein abgesprochen wird sowie die rassistischen Muster dahinter. Also: Ist »Woher kommst du?« wirklich eine legitime Frage? Und wie läuft das Gespräch, wenn die Antwort nicht Deutschland ist?
Für nicht weiße Menschen gehört die Frage nach der Herkunft zum Alltag. Genauso wie bei Behördengängen wird mit »Woher kommst du?« erst mal die nationale Identität »geklärt«. Nicht weiße Menschen müssen ihr Dasein so ständig erklären: Bei Polizeikontrollen, der Ausländerbehörde, auf der Tanzfläche eines Clubs oder beim Besuch von Ärzt*innen.
Sanaz Azimipour ist Aktivistin, Mathemathikerin und Mitgründerin von MigLoom e.V. und der Kampagne "nicht ohne uns 14 Prozent". Sie schreibt am liebsten über Intersektionalität, soziale Gerechtigkeit und Migration.
»Woher kommst du?« impliziert, dass man als nicht weiße Person in Deutschland nicht »von hier« ist - und gleichzeitig scheint es wichtig, dass diese Menschen nicht von hier sind. »Ein Körper kann ein Fragezeichen werden. Und wir lernen daraus, wie die Fragen als Behauptungen funktionieren können«, beschreibt die feministische Wissenschaftlerin und Autorin Sarah Ahmed in ihrem Buch »Living a Feminist Life«, wie die Existenz von BPoC zum Politikum und für BPoC zu einer politischen Arbeit gemacht wird.
Durch die Frage nach der Herkunft wird jedes Mal klargemacht, dass es immer noch wichtig ist, sich in einem nationalstaatlichen Rahmen definieren zu müssen. Menschen werden damit gezwungen, sich - unabhängig von ihrer Beziehung zu dem Ort - mit einem Ort zu identifizieren, in dem sie oder ihre Eltern und Großeltern geboren sind oder länger gelebt haben. Dabei wird vergessen, dass dieser Ort manchmal einer ist, von dem Menschen fliehen mussten, in dem sie verfolgt und unterdrückt wurden, in dem ihre Existenz bedroht oder gar nicht anerkannt wurde. Für mich, wie für viele anderen Menschen mit »schlechten« Pässen, also etwa aus dem globalen Süden, ist dies aber eine besonders schreckliche Frage. Nicht nur, weil unsere Staatsangehörigkeit meistens der Grund für strukturelle Diskriminierung in unserem Leben ist, sondern auch, weil diese Frage meist der Beginn einer rassistischen Diskussion ist. Weil die Nationalität das ist, was dich ausgrenzt und zur »bösen Anderen« macht. Heimatlos zu sein, kann dann die Tarnkappe sein, die dich vor der Gefahr, die von Rassismus und Nationalismus ausgeht, schützt.
Irgendwann hatte ich verstanden, dass meine Antwort auf die Herkunftsfrage nie die richtige war. Die Reaktionen waren nie neutral, sondern: »Oh, wie krass« oder »Wie cool«. Entweder hat die Antwort die rassistischen oder in meinem Fall stereotyp orientalistischen Bilder im Kopf der Fragenden bestätigt oder abgelehnt. Meine Existenz ist entweder beeindruckend, sehr exotisch oder völlig falsch.
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Doch die Geschichte endet nicht hier. Sobald geklärt wurde, wo ich herkomme, musste geklärt werden, wie ich nach Deutschland gekommen bin und warum ich hier bist: »Bist du geflüchtet und wenn ja, warum?« »Warum sprichst du so gut oder schlecht Deutsch?« »Wie lange möchtest du hier bleiben?« Dann kommt meist ein Kommentar über die Situation in meinem »Herkunftsland«, eine Erklärung darüber, wie Sachen »bei uns in Deutschland« funktionieren oder auch eine kleine Evaluation meiner Integrationsleistung. In den meisten Fällen gibt es auch noch eine Aussage über den linearen Zusammenhang zwischen meiner Nationalität und meiner Persönlichkeit. Das eine würde das andere schließlich begründen.
Um so ein Verhör zu vermeiden, muss ich manchmal mit meinen Freund*innen vorbereiten. Wir denken uns die bestmöglichen Antworten auf die Herkunftsfrage aus. Dann suchen wir uns ein Land aus, das weiße Deutsche für »normal und neutral« halten. Nicht zu uneuropäisch, nicht zu weit weg, nicht zu muslimisch und so weiter.
Es gibt viele Wege, ein Gespräch mit jemandem zu beginnen. »Woher kommst du?« ist der falsche.
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