- Berlin
- Geteiltes Berlin
Waffengeklirr mitten in Berlin
Stiftung Berliner Mauer erinnert an 60 Jahre Panzerkonfrontation von Sowjets und USA
Zu den herausragenden Ereignissen des Kalten Krieges zählt unbestreitbar die martialische »Panzerkonfrontation« von US-amerikanischer und sowjetischer Seite mitten in Berlin. Vor 60 Jahren standen Truppen beider Supermächte einander schwer bewaffnet am amerikanischen Grenzübergang Checkpoint Charlie nach Ostberlin, der DDR-Hauptstadt, direkt gegenüber.
Wie knapp die Welt in jenen Stunden einer Katastrophe entgangen sein mag und wer die Hauptverantwortung für die unerwartete Zuspitzung der Lage in Berlin trug, war am Mittwochabend Thema einer Podiumsdiskussion im Asisi-Panorama »Die Berliner Mauer« in der Friedrichstraße. Für ganz unterschiedliche Sichten auf die Ereignisse im Kalten Krieg sorgten Experten des Berliner Kollegs Kalter Krieg, von Universitäten aus Bremen und München sowie des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst.
Was geschieht, wenn nur einer die Nerven verliert? Was, wenn er den Abzug betätigt und schießt? In Berlin, geteilt in West und Ost, lag diese bange Frage häufig in der Luft. Nicht zuletzt beim Mauerfall im November 1989. Brandheiß war es gewiss, als am 13. August 1961 DDR-Grenzer und Betriebskampfgruppen rund um Westberlin Grenzbefestigungen errichteten. Ganz besonders aber um den 27. Oktober 1961.
Volle 16 Stunden dauerte es, bis die Befehlshaber beider Seiten vor Ort - der US-General Lucius D. Clay und der sowjetische Marschall Iwan Konjew - die Panzer zurückzogen. Der eine, als Organisator der Luftbrücke in Westberlin gefeiert, ein zu allem entschlossener Hardliner. Der andere ein hochdekorierter, eher besonnener Weltkriegsveteran, wie Bernd Greiner vom Kolleg Kalter Krieg erinnerte. Niemand konnte einen Gewaltausbruch zwischen den verfeindeten Nuklearmächten wirklich ausschließen.
Der Konflikt um Berlin, durch die alliierten Siegermächte 1945 in vier Besatzungszonen aufgeteilt, hatte sich mit der Ost-West-Konfrontation verschärft. Mit der sowjetischen Blockade der Westsektoren, die die alliierte Luftbrücke auslöste, war die Teilung Berlins ab 1948 zementiert. Misstrauen und Machtgehabe der Führer beider Schutzmächte, US-Präsident John F. Kennedy und UdSSR-Ministerpräsident Nikita Chruschtschow, vereitelten jeden Kompromiss im Streit um den Status der Stadt und die DDR-Souveränität.
Kennedy wie Chruschtschow, der just in diesen Tagen auf dem XXII. KPdSU-Parteitag die DDR verteidigen musste, um Stärke zu beweisen, standen daheim unter hohem politischen Druck, erinnerte Greiner. Chruschtschow, stark vom Krieg geprägt, habe immer wieder rechtzeitig eingelenkt. »In Berlin ist er der Erste, der die Panzer zurückzieht mit dem Argument ›Wir haben uns beide verhakt, und ich muss den Amerikanern die Gelegenheit geben, das Gesicht zu wahren‹«, so Greiner. »Das gängige Bild, das wir leider immer noch haben, ist diesbezüglich überdramatisiert.«
Als die DDR nach dem Mauerbau die Zutrittsrechte der Westalliierten wiederholt einschränkte und infrage stellte, spitzte sich die Situation zu. Am 22. Oktober stoppten Grenzpolizisten den Wagen des US-Diplomaten Edwin A. Lightner, der mit seiner Frau in den Friedrichstadtpalast wollte. Da der Mann in Zivil war und eine Passkontrolle verweigerte, setzte man ihn fest, bis ihn eine bewaffnete US-Patrouille wiederholt über die Grenze eskortierte. Die dadurch ausgelöste Eskalationsspirale führte zum US-Panzeraufmarsch und zur Konfrontation mit sowjetischen Panzern am 27. Oktober.
Es war vielleicht nicht die gefährlichste Situation im Kalten Krieg, wohl aber während der Teilung Berlins, sagte Susanne Schattenberg von der Universität Bremen. Wichtiger sei aber doch, dass es den Supermächten damals gelang, die Krise friedlich beizulegen. Freilich ließ auch sie an diesem Abend außer Acht, dass die militärische Kraftmeierei - wenn sie außer Kontrolle geraten wäre - weder die Freiheit West noch die Souveränität Ost gerettet hätte. Denn damals waren ganz Berlin, die DDR und die Bundesrepublik im Visier nuklearer Vernichtungswaffen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.