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Gründliche Ursachenforschung statt persönlicher Abrechnung
Um die Wahlniederlage der Linken aufzuarbeiten, braucht sie keine persönlichen Attacken, sondern eine sachliche Aufarbeitung, meint Friedrich Straetmanns.
Gut einen Monat ist es jetzt her, dass Die Linke nach einem katastrophalen Wahlergebnis wenigstens knapp als Fraktion in den Bundestag einziehen konnte. Es ist gut, dass die Bundestagsfraktion sich mit breiter Mehrheit eine Fraktionsführung gewählt hat. Es ist ebenfalls gut, dass dies auf den übereinstimmenden Vorschlag der Parteivorsitzenden hin erfolgt ist.
Angesichts dessen finde ich es allerdings verheerend, dass dies von Teilen der Partei nun skandalisiert wird. Ein intensiver Aufarbeitungsprozess steht an und kann nur im konstruktiven Dialog erfolgen. Leider zeigt sich für mich, dass einige Funktions- und Mandatsträger das noch nicht ausreichend begriffen haben. In den vergangenen Wochen musste ich immer wieder lesen, wie einzelne über die Presse diesen Aufarbeitungsprozess vorwegnehmen wollen und ihre jeweils eigenen und ihnen nützlichen Erzählungen präsentieren.
Als besonders verantwortungslos ist mir der Beitrag des Linke-Bundesgeschäftsführers und Wahlkampfleiters Jörg Schindler aufgefallen. Nur wenige Tage nachdem der Parteivorstand beschlossen hatte, den notwendigen Aufarbeitungsprozess einzuleiten, hatte er in seiner Wahlanalyse schon alle Antworten parat: in erster Linie sei Sahra Wagenknecht persönlich verantwortlich. So kann dieser Prozess schwer gelingen. Damit versucht er offenbar, sich außerhalb der Kritik zu stellen, anstatt fragend voranzuschreiten. Dabei ist er zuallererst als Wahlkampfleiter politisch verantwortlich für diese Wahl - wie er es auch schon für die desaströse Europawahl 2019 war. Eine Wahl, bei der wir damals, wie jetzt bei der aktuellen Wahl, über 600.000 Stimmen an Bündnis 90/Die Grünen verloren haben. Allerdings ohne dass Sahra Wagenknecht eine große Rolle im Wahlkampf gespielt hat, da sie sich Anfang des Jahres 2019 aus bekannten Gründen zunächst zurückgezogen hatte.
Ich selbst bin Richter - und würde ich mich bei einem solchen Vorgehen ertappen, würde ich mich selbst für befangen erklären. Wenn ein Problem so vielschichtig und komplex ist wie das, vor dem wir jetzt stehen, empfiehlt es sich - auch hier hilft mein Richterhintergrund -, einen externen Sachverständigen hinzuzuziehen. So würde ich es auch hier halten und eine große unabhängige empirische Studie zur Linkspartei in Auftrag geben. Insbesondere würde mich bei einem solchen Gutachten interessieren, warum nur drei Prozent der Wahlberechtigten ohne Abitur uns wählen, immerhin mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten. Gleiches gilt für die Gewerkschaftsmitglieder, bei denen wir im Zuspruch noch hinter die FDP zurückgefallen sind. Auch die Frage, in welchem Umfang uns unsere Stammwähler gewählt haben und warum wir die Stammwählerschaft nicht ausbauen konnten, treibt mich um. Ich hoffe jedenfalls (noch), dass es der Partei- wie Fraktionsführung gelingt, diesen Aufarbeitungsprozess, trotz einiger mir unverständlicher Widerstände, erfolgreich anzupacken.
Der Autor ist Richter am Sozialgericht, gehörte bisher als Abgeordneter der Linke-Bundestagsfraktion an und war Justiziar der Fraktion.
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