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Sagenhafte Pfade

Mit dem Schmugglerweg Klobenstein verbindet ein neuer interaktiver Themenwanderweg den Tiroler Kaiserwinkl mit Bayerns Chiemgauer Alpenvorland. Ein Selbstversuch

  • Ekkehart Eichler
  • Lesedauer: 5 Min.

Mystisch. Sagenumwoben. Atemberaubend. Nicht mehr und nicht weniger soll er sein, der nagelneue Schmugglerweg Klobenstein. Geht’s nicht ’ne Nummer kleiner, denkt der Reporter, als er sich mit hohem Skepsispegel auf die Socken macht. Was zum Teufel soll schon derartig spektakulär sein an einem simplen Wanderweg? Lächerliche neun Kilometer. Grenzüberschreitend von Tirol nach Bayern und natürlich auch andersherum möglich. In jedem Fall aber mittenmang durch die - da haben wir’s wieder - sagenhafte und atemberaubende Klobensteinschlucht.

Schon in grauer Vorzeit war dieser alpine Canyon ziemlich populär. Gerade breit genug für ein Pferd, herrschte hier bereits in der Bronzezeit reges Treiben - das belegen Funde wie Ring- oder Spangenbarren, die als Schmuck oder Rohstoff dienten. Auch im Mittelalter blieb die Klobensteinschlucht ein wichtiger Handelsweg, als vor allem Salz in den Süden transportiert wurde und Wein aus Südtirol seinen Weg in den Norden fand. Namensgebend für den Schmugglerweg war dann jedoch die Zeit vor und nach den Weltkriegen. Aufgrund unterschiedlicher Zölle erwies sich das Schmuggeln zwischen Tirol und Bayern als guter Nebenverdienst für die Bevölkerung. So wurden - meist in der Nacht - Zigaretten, Kaffee, Hochprozentiges wie Rum oder Branntwein, aber auch Käselaibe und Holzkohle über die grüne Grenze geschmuggelt. Und seit diesem Jahr präsentiert sich der einstige Schauplatz unzähliger Schmugglerlegenden in Eigenwerbung als einer der schönsten alpinen Erlebniswanderwege für die ganze Familie - ein gemeinsames österreichisch-bayerisches Projekt des Tourismusverbandes Kaiserwinkl mit der Gemeinde Kössen und dem bayerischen Bergsteigerdorf Schleching.

Neun Kilometer. Klingt nach Pillepalle, ist aber nichts weniger als das. Mit Flip-Flops und Kinderwagen geht hier schon mal gar nix, und auch manche Steigung am Fluss bringt dem untrainierten Großmaul brettharte Waden und brennende Schenkel ein. Von Atem-Pump-Not ganz zu schweigen. Und so neidisch wie fassungslos schaut er immer wieder wieselflinken Trail-Runner-Sportskanon*innen nach, die ihn im Wald überholen - mit Affenzahn und mitleidig-grinsendem »Servus«.

Dafür freut sich der alte Wandersmann dann aber auch richtig über diverse Belohnungen. Seien es die wildromantischen Rastplätze ganz nah am rauschenden Türkiswasser der Tiroler Ache. Seien es die nagelneuen Panoramakanzeln mit Spitzenaussicht auf die wilde Theaterkulisse von Fluss und Fels. Und auf halber Strecke, im »Herzen des Canyons«, kann man sogar locker ein paar Stunden »vertrödeln« - im besten Sinne. Allein die Runde über die beiden mächtigen Hängebrücken »frisst« massig Zeit und ist tatsächlich ein Erlebnis. Wie die Brücken selbst - die große misst 33 Meter und spannt sich an Stahlseilen hoch übern Fluss, die untere führt hautnah vorbei an bizarren Felsen und strudelndem Wasser vom Schmugglerweg auf die Ostseite der Schlucht.

Dort wiederum lässt sich prima Brotzeit picknicken an der Ache hellem (Kies-)Strande. Man kann sich die heiß gelaufenen Haxen herrlich kühlen im Fluss. Und obendrein läuft auch noch ein Actionprogramm - wenn immer wieder voll besetzte River-Rafting-Schlauchboote durchs Wildwasser tanzen. Mit fröhlich kreischenden Jungs und Mädels an Bord. In der folgenden engen Entenlochklamm nehmen besonders Ausgeflippte im Sommer sogar freiwillig ein Bad, indem sie von Felsvorsprüngen ins eiskalte Vergnügen hüpfen.

Wieder auf den Beinen, führt mein Weg zunächst vorbei an einer geologischen Besonderheit: eiszeitliche Gletschertöpfe. Diese entstanden seinerzeit durch sogenannte Gletschermühlen, mit denen sich wirbelndes Schmelzwasser unter starkem Druck und mit hoher Geschwindigkeit erst durch das Gletschereis »bohrte« und dann in das darunter liegende Gestein.

Die mit Abstand wichtigste Sehenswürdigkeit freilich hier ist die Wallfahrtskirche Maria Klobenstein, womit wir nun auch tief eintauchen ins Mystische. Eine Bäuerin befand sich im Wald - so die Sage - und wurde überrascht von einem Gewitter. Blitze zuckten. Donner grollte. Dann ein schreckliches Poltern. Ein riesiger Fels stürzte auf sie hinab. In ihrer Angst flehte sie zu Maria, der Heiligen Muttergottes. Und siehe da, das Wunder geschah: Der Fels spaltete sich und kam kurz vor ihr zum Stehen. Sie war gerettet. Und der »Klobenstein« entstanden.

Dass ausgerechnet zu dessen Füßen dann auch noch eine Quelle mit vermeintlich heilender Wirkung austrat, erschien den Menschen als weiteres göttliches Zeichen. Und so pilgerten schließlich so viele zum Klobenstein, dass die Katholische Kirche dort eine Kapelle errichtete, mit einem Einsiedler als »Aufsicht«. Heute gehören zum Kraftplatz Klobenstein drei Kapellen, eine Einsiedelei sowie das urige Gasthaus Klobenstein, das an die frühere Eremitenwohnung erinnert.

Und noch ein letztes Schlüsselwort soll und darf nicht unerwähnt bleiben: Der Schmugglerweg ist auch interaktiv begehbar und wird so zum echten Erlebnisabenteuer für kleinen und großen Schmuggelnachwuchs. Ob an der Teufelsstiege oder am Geheimen Briefkasten, an den Gletschertöpfen oder am Toter Mann Bach, an insgesamt zehn Stationen sind Rätsel und Aufgaben zu lösen, die über die App Locandy und QR-Codes abgerufen werden können. Vorausgesetzt, das Funknetz arbeitet einigermaßen, bei mir machte es an zwei Stellen schlapp. Die Antworten jedenfalls können in die Schmugglerkarte eingetragen werden, die es in Kössen in echt und zum Download auf der Webseite gibt.

Tipps

Anreise: Der Kaiserwinkl mit seinen vier Orten Kössen, Walchsee, Schwendt & Rettenschöss liegt im Dreistädte-Eck München (130 km), Salzburg (75 km) und Innsbruck (93 km) und ist per Auto, Bus, Bahn und Flugzeug bequem und komfortabel erreichbar.

Übernachtung: in Tirol Kössen: Superior Fitness & Spa Hotel Alpina: DZ/HP ab 110 Euro, www.hotel-alpina.at; in Bayern Schleching: Alpenhotel Dahoam: DZ/F ab 110 Euro. www.alpenhotel-dahoam.de

Schmugglerweg: Der Weg verläuft auf der alten Trasse eines sogenannten Samerwegs. Ausgangspunkte sind die Ortsmitte von Kössen im Kaiserwinkl oder der Wanderparkplatz der Geigelsteinsesselbahn Ettenhausen in Bayern. Länge: 9 Kilometer, von beiden Seiten begehbar, Rücktransport jeweils mit ÖPNV. www.schmugglerweg.com

Weitere Outdoor-Aktivitäten im Alpinen Canyon: Felsklettern im Klettergarten Klobenstein: 100 Routen von Schwierigkeit 3 bis 10.

Rafting: Zum Beispiel bei Sport Lucas in Schleching, Mitte Mai bis Mitte Oktober, ab 35 Euro. www.sportlukas.de

Weitere Infos: www.kaiserwinkl.com

Die Recherchen wurden unterstützt vom Tourismusverband Kaiserwinkl.

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