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»Die Chemie stimmt«
Kommende Woche soll im Nordosten der rot-rote Koalitionsvertrag stehen
Geräuschlos – so werden gemeinhin Koalitionsverhandlungen beschrieben, die gut vorankommen und ohne großes Tamtam der verhandelnden Parteien auskommen. In diesem Sinne verlaufen auch die Gespräche zwischen SPD und Linkspartei über eine rot-rote Regierung im Nordosten: geräuschlos. Nach den Verhandlungsrunden treten die derzeit geschäftsführende Ministerpräsidentin Manuel Schwesig (SPD) und die zur Wahl im September als Spitzenkandidatin angetretene und von der neuen Linksfraktion im Schweriner Landtag erneut zur Vorsitzenden gewählte Simone Oldenburg vor die Presse und teilen die Ergebnisse mit. Alles ganz unaufgeregt. Nach 15 Jahren getrennter Wege in Regierung auf der einen und Opposition auf der anderen Seite scheinen sich hier zwei Parteien – und Verhandlungsführerinnen – gesucht und (wieder-)gefunden zu haben.
Diesen Eindruck kann man nicht nur von außen gewinnen, gegenüber »nd« bestätigt auch Oldenburg einen guten Dialog in guter Atmosphäre. Die Verhandlungen verliefen »sehr konzentriert, zielgerichtet und auf Augenhöhe«, so Oldenburg. »Die Chemie stimmt.« Beide Partner hätten das gemeinsame Ziel, den Aufbruch 2030 auf den Weg zu bringen, der auf drei Säulen ruhe: »eine starke Wirtschaft, sozialer Zusammenhalt mit stärkerer Jugendbeteiligung und ökologischer Verantwortung – solide finanziert«, erklärt Oldenburg.
Anfang nächster Woche soll der ausformulierte Koalitionsvertrag stehen. Am Donnerstag geht es noch um das Thema »Kommunen, Innere Sicherheit, Justiz und Europa«, das aufgrund eines Trauerfalls in der Familie eines Verhandlungsmitgliedes von Montag auf Donnerstag verschoben worden war, am Freitag wird der Punkt »Soziales« verhandelt. Dass Mecklenburg-Vorpommern sozialer und gerechter werden soll, dies betonen Oldenburg und auch Schwesig nun nicht nur während der Verhandlungen, es war auch ein zentrales Wahlversprechen, an dem die Parteien gemessen werden und das durchaus eingefordert wird.
So pochen die Nordost-Wohlfahrtsverbände vor der Verhandlungsrunde »Soziales« unter anderem auf einen landesweit einheitlichen und gesetzlich verankerten Mindestpersonalschlüssel für die Kinderbetreuung. »Die Investition in frühkindliche Bildung durch ausreichend Personal muss oberste Priorität haben«, so Steffen Feldmann, Vorsitzender der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. SPD und Linke hätten ihre Stimmen bei der Landtagswahl auch für die soziale Gerechtigkeit erhalten. »Wir erwarten jetzt, dass sie sich an ihr Versprechen halten.«
An den Ergebnissen der bisherigen Verhandlungen ist das Bemühen zu erkennen den unter das Motto Aufbruch 2030 gesetzten eigenen Zielen und den Erwartungen im Land gerecht zu werden: Bekenntnisse zu maritimer Wirtschaft und Kultur, sanfterer Tourismus, der sich mehr an Qualität und weniger an Quantität orientiert, Digitalisierung und Erneuerbare Energien vorantreiben, die Mobilitätsmöglichkeiten verbessern, bezahlbares Bauen und Wohnen fördern, – all dies soll dazu beitragen, das Land für die Bürger*innen attraktiver zu machen und es aus den Niederungen diverser Rankings zu führen. Wie etwa bei den Einkommen.
»Noch ist Mecklenburg-Vorpommern im Lohnkeller«, stellt Oldenburg gegenüber »nd« fest. Zum Aufbruch 2030 gehörten deshalb unbedingt gute Arbeitsplätze mit guten Löhnen und Arbeitsbedingungen. »Wir werden als Staat mit gutem Beispiel vorangehen und dafür sorgen, dass bei öffentlichen Aufträgen die Unternehmen zum Zuge kommen, die tarifliche Löhne zahlen, gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten bieten und nachhaltig wirtschaften.«
Auch beim Thema Bildung, das nach den Worten Oldenburgs »ein Schwerpunkt der gemeinsamen Arbeit« sein werde, gilt es den Nordosten aus dem Keller zu führen. »Alle Kinder und Jugendlichen sollen bestmöglich gefördert werden und die gleichen Entwicklungschancen haben«, stellt die als Bildungsministerin gehandelte Oldenburg in Aussicht. Unter anderem habe man sich deshalb »auf 1000 Lehrerstellen für die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie eine ›Große Reform der Lehrerbildung‹ verständigt«.
Geeinigt haben sich Rot und Rot auch auf ein eigenes Klimaschutzgesetz für das Land, das die künftige Landesregierung im Sinne der Akzeptanz in der Bevölkerung zusammen mit dieser ausgestalten möchte. »Das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, geht nur mit und auf gar keinen Fall gegen die Menschen«, ist sich Oldenburg sicher. »Das Gesetz soll in einem breiten Dialog erarbeitet und auch umgesetzt werden.«
Viel vorgenommen haben sich Linke und Sozialdemokraten in jedem Fall. Nun sind Ziele und Koalitionsvertrag das eine, der Praxistest aber das andere. Und erst dieser wird in den nächsten fünf Jahren zeigen, ob der rot-rote Aufbruch im Nordosten die Bürger*innen überzeugen kann.
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