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- Energiearmut
Ohne Wärme durch den Winter
Wenn die Heizkosten steigen, wird es für viele mit geringem Einkommen sehr hart
Viele der Berliner Mieter*innen müssen sich warm anziehen. Nicht nur, weil die Temperaturen draußen fallen. Da zukünftig die Heizkosten um fast ein Viertel teurer werden, kann es sein, dass manche dann mit Mütze und Schal in der Wohnung sitzen, weil die Heizung auch im Januar nur auf Stufe 2 gestellt werden kann. Die explodierenden Energiekosten, die von Gasunternehmen zum Beginn der Heizsaison bestätigt wurden, drohen vor allem für Menschen mit geringem Einkommen eine deutliche Belastung zu werden.
»84 Prozent der Menschen in Berlin sind Mieter*innen«, sagt Reiner Wild vom Berliner Mieterverein (BMV) am Donnerstag zu »nd«. Da die Heizkosten nicht nach Einkommen gestaffelt sind, werden die Erhöhungen die Menschen sehr unterschiedlich treffen, meint Wild. »Kommen die Erhöhungen zum 1. Dezember, werden sie sich auf der Abrechnung 2022 nur in geringem Umfang wiederfinden«, erklärt der Mieterberater. »Das Problem ist aufgeschoben in das Jahr 2023 hinein«, lautet Wilds Einschätzung. »Die verzögerte Belastung ist bei den meisten Menschen noch gar nicht angekommen.« Auch mit Forderungen an die Politik sei es daher »schwierig.«
Wild fordert in diesem Zusammenhang den Berliner Senat auf, auch auf Bundesratsebene für Nachbesserungen bei der neuen Heizkostenverordnung zu sorgen. Diese wird am Freitag voraussichtlich verabschiedet und soll der Energieeffizenz-Richtlinie der EU Rechnung tragen. Das datensichere Ablesen von Zählern beziehungsweise Messgeräten aus der Ferne wird bis Ende 2026 Pflicht und der Gebäudeeigentümer muss zukünftig - wenn fernabgelesen wird - den Mieter*innen regelmäßig Verbrauchsinformationen zu ihrem persönlichen Energieverbrauch zukommen lassen.
»Die angestrebten Neuerungen reichen aber bei weitem nicht aus«, heißt es beim Mieterverein. Von größerer Bedeutung zur Verringerung des Energieverbrauchs und damit auch des CO2-Ausstoßes wäre es demnach, in der Heizkostenabrechnung nur noch ein Verhältnis von 70 Prozent nach Verbrauch und 30 Prozent nach Fläche zuzulassen. »De facto wird vielfach noch 50:50 abgerechnet. Das bedeutet, dass von der durch das Nutzerverhalten eingesparten Energie nur die Hälfte auch zur direkten Kosteneinsparung beiträgt«, so Wild. Mit anderen Worten: Sparsames Heizen lohnt sich für Mieter*innen nicht richtig. Auch dass Mieter*innen nicht verbrauchsabhängig abgerechnete Heizkosten um 15 Prozent kürzen können, scheint Vermieter*innen nicht zu schrecken. Der Anteil müsste daher deutlich erhöht werden. Zudem griffen auch die geplanten Neuregelungen zur Verbrauchsinformation zu kurz. Der Verbrauchswärmeanteil, mit dem die energetische Qualität des Gebäudes eingeschätzt werden kann, ist darin nicht vorgesehen, auch wenn er von den Ableseunternehmen erhoben wird. Auch die Angabe des Endenergieverbrauchs des gesamten Gebäudes an die einzelnen Mietparteien sollte verpflichtend sein, fordert der Mietervertreter.
Dass Heizen mit Gas für viele Berliner Haushalte teurer wird, hatte auch die Gasag am Dienstag bestätigt. Dieses Unternehmen erhöht den Tarif in der Grundversorgung zum 1. Januar. Für eine durchschnittliche Wohnung mit einem Verbrauch von 12 000 Kilowattstunden werden rund 16 Prozent mehr oder pro Monat 13 Euro zusätzlich fällig, teilte das Unternehmen mit.
Die Gasag verwies zur Begründung auf deutlich gestiegene Einkaufspreise für Erdgas. Seit Dezember 2020 habe sich der Einkaufspreis an der Börse mehr als verfünffacht. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums entfällt knapp die Hälfte des Endkundenpreises auf Beschaffung und Vertrieb des Brennstoffs. Die andere Hälfte sind Steuern, Abgaben und Gebühren. Das Ministerium empfiehlt, die Endpreise der Gasanbieter zu vergleichen. Allerdings ziehen die Tarife gerade branchenweit an. Seit August hätten 98 Gasgrundversorger ihre Preise erhöht oder Erhöhungen angekündigt, teilte das Vergleichsportal Check24 mit. Im Durchschnitt lag der Anstieg bei etwa 17 Prozent.
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