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Union genießt Vorsprung durch Konstanz
Kölns Fußballer erkämpfen ein 2:2 gegen die Berliner und werden dennoch ausgepfiffen
Fast schon freundschaftlich legte Urs Fischer dem Kollegen Steffen Baumgart nach der Pressekonferenz den Arm um die breiten Schultern und fragte auf dem Weg nach draußen: »Na, wann sehen wir uns morgen?« Der gemütliche Plauderton, den der Cheftrainer des 1. FC Union Berlin anschlug, passte bestens zur anstehenden Länderspielpause. Eilig hatte es nach dem 2:2 zwischen den Eisernen und ihren Kölner Gastgebern jedenfalls keiner der Beteiligten. Und das Dringendste, was FC-Coach Baumgart loswerden wollte, war eine ernste Botschaft an die eigenen Fans.
Die große Euphorie, die den Klub nach Baumgarts Verpflichtung im Sommer und dem guten Saisonstart erfasst hatte, war bereits beim 2:2 im Rhein-Derby gegen Leverkusen vor zwei Wochen etwas verflogen. Diesmal wurde das Kölner Publikum wegen des etwas unentschlossenen, unsicheren Spiels ihres Teams schon kurz nach der Pause zunehmend unruhig; immer wieder gab es vereinzelte Pfiffe für missglückte Aktionen. Was den Mann mit der Schiebermütze, der wie üblich durch seine Coaching Zone tobte, mächtig auf die Palme brachte: »Wenn ich in den letzten vier Jahren mit den Leuten in Köln geredet habe, ging es immer darum, dass kein guter Fußball gespielt wird. Jetzt spielen die Jungs guten Fußball, sind mutig. Dann liegst du gegen eine Mannschaft, die übrigens international spielt, mal 1:2 hinten - und das Stadion weiß nicht, ob es jubeln oder weinen soll«, echauffierte sich Baumgart.
Dem ließ er dann noch eine klare Ansage an den nörgeligen Teil der Stadionkundschaft folgen: »Ich hoffe, dass die Jungs weiter das Vertrauen in unseren Fußball haben und nicht nach draußen hören.« Denn: »Wir sind auf einem guten Weg, und ich erwarte von allen eine Entwicklung. Nicht nur vom Verein und von der Mannschaft.«
Vier Tage vor Beginn der närrischen Zeit wehrte sich der gebürtige Rostocker also gegen potenzielle Stimmungskiller in der Kölner Fangemeinde. Und ähnlich wie Baumgart verwies auch Jörg Jakobs bei seiner Kritik an unzufriedenen Zuschauern (»Die Erwartungshaltung des Publikums hilft nicht«) darauf, mit wem es der Beinahe-Absteiger vom Frühjahr am Sonntag zu tun hatte. »Wir haben ein paar Sachen nicht so gut hinbekommen, wie wir sollten«, erklärte der Interims-Sportchef des FC. »Dann ist Union voll da, das ist das Muster dieser Mannschaft: Aus sehr wenig viel zu machen. Das haben sie heute wieder gezeigt - sie haben unsere Fehler eiskalt ausgenutzt.«
Allerdings nicht eiskalt genug: So vergab Angreifer Taiwo Awoniyi in der Nachspielzeit der ersten Hälfte die Großchance zum 3:1. Die wackligen Domstädter blieben im Spiel. Und so konnte Anthony Modeste nach seinem zweiten Treffer des Abends, einem formidablen Kopfball, an den Spielfeldrand stürmen, sich Baumgarts Schiebermütze stibitzen und damit vor seinem verdutzten Coach ein wildes Tänzchen aufführen.
Vier Minuten vor dem Abpfiff schubste Modeste die Berliner von Champions-League-Rang vier doch noch hinunter auf Platz acht. Trotz der Punkteteilung war aber nicht zu übersehen, was die beiden Klubs, die vor gut zwei Jahren gemeinsam aufgestiegen waren, in ihrem Status quo unterscheidet.
Denn auch wenn Köln im Vergleich zu den Köpenickern fast doppelt so viele Torschüsse abgab, doppelt so viel Ballbesitz hatte, mehr Zweikämpfe gewann, viermal so viele Flanken schlug und die bessere Passquote aufwies: Das Spiel der Unioner, drei Tage zuvor noch in der Conference League gegen Feyenoord Rotterdam (1:2) im Einsatz, wirkte reifer, selbstverständlicher, cooler. Trotz des speziell nach der Pause ausbaufähigen Konterspiels war Übungsleiter Fischer entsprechend »sehr zufrieden« und betonte: »Ich werde meiner Mannschaft sicher keinen Vorwurf machen. Wenn man sieht, was die Jungs heute an Wegen gelaufen sind, ist das eindrucksvoll.«
In der ersten Saison nach dem gemeinsamen Aufstiegsjahr war Union als Elfter drei Plätze besser als die Kölner. Im Vorjahr klaffte dann eine Lücke von neun Rängen zwischen beiden Vereinen. Auch jetzt liegen die Hauptstädter wieder um drei Ränge besser im Rennen als die Rheinländer. Ein qualitativer Vorsprung, den sie sich seit 2019 unter ein und demselben Trainer erarbeitet haben, dem 55-jährigen Urs Fischer.
Steffen Baumgart, der Mitglied bei Union ist und dessen Familie ihren Wohnsitz in Berlin-Köpenick hat, ist dagegen bereits der vierte Cheftrainer, der seit der Bundesliga-Rückkehr der Rheinländer im Kölner Grüngürtel sein Glück versucht. Das ausgegebene Saisonziel, Platz zwölf, verfolgt der frühere Stürmer dabei stets mit vollem körperlichen Einsatz - und mit einem respektvollen Blick auf Fischers Arbeit in Berlin. Baumgart (49) adelt den deutlich ruhigeren Schweizer als einen »der besten Trainer in der Bundesliga«, lobt dessen klaren Ansatz und staunt schon seit geraumer Zeit über Unions Konstanz: »Jeder wartet auf Unions Einbruch, aber der kommt nicht.«
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