Don Quichotte kämpft mit dem B-Plan

In Sachsen ist der Ausbau der Windenergie zum Erliegen gekommen - auch, weil Kommunen ihn trickreich torpedieren

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Gemeinde Neunkirchen im Erzgebirge laufen Planungen für einen Friedwald. Der künftige Bestattungsort läge aber nicht unter alten Bäumen, sondern ist derzeit ein Acker. Statt pietätvoller Stille ist der Lärm einer nahen Autobahn zu vernehmen. Geplant wird für 12 000 Gräber, dreimal so viele, wie der Ort Einwohner hat. Das alles klingt nicht sehr plausibel, sagt Christian Falke. Der Leipziger Anwalt, der im Bereich Erneuerbare Energien tätig ist, hat eine andere Vermutung. Die Pläne der Kommune sollen vor allem ein Areal blockieren, das als Vorrangfläche für den Bau von Windkraftanlagen ausgewiesen ist: »Es geht um Verhinderungsplanung.«

Neunkirchen ist kein Einzelfall in Sachsen. Elisabeth Jüschke, die beim Unternehmen Juwi GmbH Windkraftanlagen projektiert, zählt viele ähnliche auf. Mal will eine Kommune auf Flächen, die für Windräder vorgesehen sind, auf einmal einen Wasserhochbehälter errichten, ein andermal plant man ausgerechnet dort die Ausgleichspflanzung für den Bau einer Straße oder weist ein Wohngebiet aus - trotz sinkender Einwohnerzahl. Jüschke spricht von »Trick 17, um Windräder zu verhindern«. Es werden »von unten Stoppschilder gesetzt«, sagt Christian Falke und fügt an: »Das ist neu.«

Der Freistaat tut sich seit Jahren schwer mit dem Ausbau der Windenergie. Zwar gibt es viele Gebiete, in denen der Wind kräftig weht. Zugleich müssen die Planer in dem dicht besiedelten Bundesland aber viele Beschränkungen berücksichtigen. Es darf nicht zu nahe an Orten, Verkehrswegen und Naturschutzgebieten gebaut werden. Auf Landesebene streiten die Minister für Umwelt und für Regionalentwicklung derzeit, wie die vom Bund beschlossene 1000-Meter-Abstandsregelung auszulegen ist und ob sie sich auf Siedlungen oder auf Einzelhäuser beziehen soll. Wäre Letzteres der Fall, fielen vor allem in der Region Chemnitz viele bisher genutzte Flächen weg; bestehende Windräder dürften nicht durch ertragreichere Anlagen ersetzt werden, sagt Falke: »Das würde faktisch zu massivem Rückbau führen.«

Doch nicht nur Vorgaben des Landes sorgen bei den Regionalplanern, die für die Ausweisung von Vorrang- und Eignungsgebieten zuständig sind, für Kopfzerbrechen. Zunehmend gibt es auch Widerstand von unten: aus Kommunen, die von Bürgerinitiativen gegen Windkraft unter Druck gesetzt werden. Sie kämpfen erbittert wie der spanische Romanheld Don Quichotte gegen die Windmühlen - und greifen dabei seit einiger Zeit verstärkt zum Mittel des B-Plans. Derlei Pläne zögen eine Veränderungssperre nach sich und könnten Projekte um mehrere Jahre verzögern, sagt Falke. Es werde »gezielt versucht«, Windkraftanlagen zu verhindern.

Daran ändert offenbar teils auch das Versprechen eines Geldsegens nichts. Seit 2020 erlaubt es das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die Kommunen am Ertrag der Windräder zu beteiligen: mit 0,2 Cent je Kilowattstunde. Im Fall der Kleinstadt Oederan, in deren Umfeld bis zu 18 Windräder entstehen könnten, wären das satte 184 000 Euro im Jahr. Oederan bezeichnet sich als »Stadt der erneuerbaren Energien«, stellt Solaranlagen auf und setzt Sparlampen ein. Von Windrädern aber will man nichts wissen. Der Bürgermeister veranstaltete im Frühsommer eine Bürgerbefragung. Nur 275 der 8000 Bürger nahmen teil, 80 Prozent davon sprachen sich gegen Windanlagen aus. Unter Hinweis darauf sperre sich die Stadt nun, Geldsegen hin oder her: Man wolle »kein Schmiergeld«, bekam Projektiererin Jüschke zu hören.

Im Land hat derlei lokaler Widerstand die Energiewende im Bereich Windkraft zum Erliegen gebracht. Im Jahr 2021 sei eine kleine Anlage ans Netz gegangen, aber zwölf ältere wurden abgebaut, sagt Wolfgang Daniels, Präsident der Vereinigung zur Förderung erneuerbarer Energien (VEE). Für 2022 sehe es kaum besser aus. Das Regierungsbündnis aus CDU, Grünen und SPD hat sich im kürzlich beschlossenen Energie- und Klimaprogramm zu einem Zubau von zwei Terawattstunden bis zum Jahr 2024 verpflichtet, was dem Bau von 150 Windrädern entspräche. Wie das zu schaffen sein soll, weiß derzeit niemand.

Fatal ist nicht nur, dass aus Sachsen kaum Rückenwind für die aus Gründen des Klimaschutzes notwendige Energiewende kommt. Der Bundesverband Windenergie warnt auch vor Folgen für den Wirtschaftsstandort. Unternehmen verlangten zunehmend grünen Strom, um ihre Klimaziele zu erreichen. Stehe der in der Region nicht zur Verfügung, habe das Folgen, sagt der Verband und formuliert drastisch: »Sachsen schaltet sich ab«. Der VEE forderte jetzt in einem »Brandbrief« an die Regierung des Freistaats unter anderem einen Runden Tisch auf Landesebene und ein Einschreiten der Kommunalaufsicht im Fall offensichtlicher »Verhinderungsplanungen« von Kommunen.

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