- Berlin
- Impfen
Her mit der Corona-Auffrischung
Impfzentren stocken Personal auf, um dem Bedarf an Drittimpfungen gerecht zu werden
Kurz nach neun an der Berliner Messe: Vor dem Impfzentrum werden die Ankommenden am Dienstagmorgen in die beiden Warteschlangen gelotst. Kommt man mit Termin, geht es flott vorwärts und man muss nur fünf bis zehn Minuten in der Novemberkälte warten. Auch ohne Termin dauert das Prozedere nicht allzu lange, zur Freude der Spontanen. Das Chaos, das hier am vergangenen Montag herrschte, als Menschen mit und ohne Termin stundenlang anstehen mussten, um sich gegen Corona impfen zu lassen, wiederholt sich am Dienstag offensichtlich nicht. Vor allem die Nachfrage an Auffrischimpfungen seit der entsprechenden Impfempfehlung treibt die Menschen zurück in die Impfzentren.
»Mich hat meine Frau heute morgen davon überzeugt, hierherzukommen. Sie meinte, ich bräuchte jetzt die dritte Impfung«, sagt Dietrich Koser zu »nd«. Er steht fast am Anfang der Schlange draußen vor dem Impfzentrum und freut sich darauf, schnell dranzukommen. Hinter ihm wartet Dietrich Lauram auf seine Auffrischimpfung und ist dabei etwas weniger gut gelaunt. Der 79-Jährige erzählt, er habe schon am Tag zuvor hier gestanden. »Nach zweieinhalb Stunden Warten wurde uns dann plötzlich mitgeteilt, dass sie niemanden ohne Termin mehr reinlassen können«, sagt Lauram.
Berlinerinnen und Berliner ohne Impfschutz müssen sich schon bald auf weitere Einschränkungen einstellen. Der Senat hat sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bei einer Telefonkonferenz am Montagabend auf eine umfangreiche Ausweitung der 2G-Regel geeinigt - allerdings noch keinen Beschluss dazu gefasst. Angesichts der Pandemieentwicklung und der erheblich gestiegenen Inzidenzzahlen bundesweit - und auch in Berlin - soll künftig der Zutritt zum Beispiel zu Restaurants, Kinos und Theatern nur noch für Geimpfte und Genesene (2G) möglich sein - nicht auch für Getestete (3G).
Die Senatsgesundheitsverwaltung soll in Kürze eine entsprechende Vorlage erarbeiten, über die dann in den nächsten Tagen beschlossen werden könnte, hieß es. Denkbar ist, dass die neue Regelung bereits nächste Woche in Kraft tritt, möglicherweise auch früher. Der Senat wolle die neuen Vorgaben Mitte der Woche in einer Sondersitzung beschließen, »so dass es gegebenenfalls sogar schon zum Wochenende, spätestens aber Anfang der Woche auch umgesetzt werden kann, und das ist schneller als viele andere Bundesländer, die immer noch zugucken, ob irgendwas von der Bundesebene kommt«, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Dienstag im Inforadio des RBB.
Aktuell haben zum Beispiel Veranstalter oder Betreiber von Restaurants die Wahl, ob sie den Zutritt zu ihren Innenräumen nur Geimpften und Genesenen erlauben oder auch Getesteten. Im Fall von 2G gilt dann keine Maskenpflicht. dpa/nd
Der große Andrang am vergangenen Montag mit Warteschlangen auch für Terminimpfungen bis zur Masurenallee hat ihn aber nicht davon abgehalten, auf Anraten der Impfärztin tags darauf sein Glück erneut zu versuchen. »Mich ärgert, dass sowohl über Presse und Fernsehen als auch am Telefon vermittelt wurde, man könne sich problemlos ohne Termin impfen lassen und wird dann doch weggeschickt«, kritisiert Lauram.
Eine Stunde später, gegen zehn Uhr morgens, wächst die Warteschlange für Terminlose langsam an, es stehen nun etwa 40 Menschen an. »Ich habe das im Radio gehört, dass ich hier ohne Termin hinkommen kann. Ich arbeite im Krankenhaus und soll mich deshalb jetzt zum dritten Mal impfen lassen«, sagt eine der Anstehenden, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte.
Tatsächlich findet sich unter den Wartenden sowohl ohne als auch mit Termin nicht eine Person, die zur Erst- oder Zweitimpfung zur Messe gefahren ist. Bisher seien bereits 200.000 Berliner*innen aufgefrischt worden, sagt Milena Müller von der Senatsgesundheitsverwaltung. Es sei wichtig, auch bei diesen Impfungen die Quote weiter zu erhöhen, aber das gelte ebenso für die Erst- und Zweitimpfungen. Vollständig geimpft sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts am Dienstagmorgen 2.473.732 Berliner*innen, das sind 67,5 Prozent der Stadtbevölkerung.
Die Auffrischimpfungen stehen grundsätzlich allen zu Verfügung, deren letzte Impfung mehr als ein halbes Jahr her ist, beziehungsweise vier Wochen im Fall einer einmaligen Impfung mit Johnson & Johnson. Für bestimmte Personengruppen gibt es aber eine Impfempfehlung, etwa für über 70-Jährige, Bewohner*innen von Pflegeheimen oder Krankenhauspersonal. Aktuell sind die Impfzentren Tegel und Messe für Menschen mit und ohne Termin geöffnet, außerdem gibt es für spontan Entschlossene die Möglichkeit, sich in einigen größeren Einkaufszentren piksen zu lassen. Die Gesundheitsverwaltung bestätigt »nd« außerdem, dass eine neue Impfstelle im Osten der Stadt eröffnet werden soll. Zuständig dafür ist Albrecht Broemme, ehemaliger Chef des Technischen Hilfswerks. »Es muss für alle gut erreichbare Impfmöglichkeiten geben«, sagt Broemme zu »nd«. Man suche noch nach einem geeigneten Ort im Ostteil der Stadt, vorzugsweise in Friedrichshain oder Lichtenberg, da die aktuell verbliebenen Impfzentren beide in Westberlin seien. In etwa 14 Tagen soll die Impfstelle geöffnet werden. »Wir rechnen auch mit einer erhöhten Nachfrage an Impfungen in der kommenden Zeit«, sagt Broemme. Der Ex-Feuerwehrmann hatte schon das Impfzentrum in den Messehallen geplant und organisiert. Nun bereitet er den Umzug in das benachbarte Kongresszentrum ICC vor, damit in den Messehallen geplante Veranstaltungen wie die Grüne Woche im Januar stattfinden können.
Das Berliner Rote Kreuz, welches das Impfzentrum in Tegel betreibt, verzeichnet einen starken Zuwachs an Besucher*innen seit einer Woche. Gründe seien die kommende 2G-Regel, die Auffrischimpfungen und die wieder ansteigenden Inzidenzzahlen, so Sprecher Hendrik Quillfeldt. »Wir freuen uns über die erhöhte Impfbereitschaft«, sagt er »nd«. Als Reaktion auf die erhöhte Nachfrage werde das Personal aufgestockt, um Wartezeiten zu vermeiden. Auch in den Berliner Arztpraxen steigt die Nachfrage nach Corona-Impfungen wieder an, vermeldet die Kassenärztliche Vereinigung laut Deutscher Presse-Agentur. In der letzten Woche seien 55.000 Impfungen durchgeführt worden, während der Schnitt in den Monaten davor bei 35.000 wöchentlichen Piksen gelegen habe. Insgesamt seien es 1500 Praxen, die in der Hauptstadt wöchentlich impfen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.