• Sport
  • Corona im DFB-Team

Der DFB wünscht keine Nachfragen

Der Coronafall von Niklas Süle befeuert die Impfdebatte rund um das deutsche Fußball-Nationalteam

  • Frank Hellmann, Wolfsburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Eigentlich sollte es in Wolfsburg ja richtig stimmungsvoll werden. 26.000 Menschen und damit die maximal erlaubte Zahl, haben ein Ticket für das Länderspiel der deutschen Fußballer ergattert. Das ist beachtlich, denn sportlich geht es in der WM-Qualifikation gegen Liechtenstein am Donnerstag um wenig bis nichts. Die Verabschiedung von Joachim Löw und die Aussicht auf ein Schützenfest hatten offenbar Vorfreude geweckt, die aber im Grunde mit der Ankunft der DFB-Auswahl in Ernüchterung umgeschlagen ist. Die durchs Land schwappende vierte Coronawelle verschont eben nichts und niemanden.

Als Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff und Teamarzt Tim Meyer am Dienstag in Wolfsburg zur Pressekonferenz erschienen, waren Trainings- und Personalplanungen bereits Makulatur. Hektische Betriebsamkeit und erhöhte Vorsicht herrschten im Teamhotel, wo sich die Mannschaft und ihr Begleittross bereits am Montag versammelt hatten. Erst durch eine Pooltestung, dann durch Nachtests kam heraus: Niklas Süle vom FC Bayern ist mit dem Virus infiziert - immerhin ist er geimpft. Weil mit ihm insgesamt acht Spieler im Flugzeug nach Wolfsburg gesessen hatten, identifizierte das zuständige Gesundheitsamt München-Land seine Münchener Klubkollegen Joshua Kimmich, Serge Gnabry, und Jamal Musiala sowie den für Salzburg spielenden Karim Adeyemi als Kontaktpersonen der ersten Kategorie, die trotz negativer Tests unverzüglich wieder die Rückreise anzutreten hatten. Die anderen vier Bayernprofis Manuel Neuer, Thomas Müller, Leon Goretzka und Leroy Sane, erhalten laut Bierhoff eine »besondere Betreuung«, werden wiederholt getestet, dürfen aber beim Team verbleiben.

Dass es den Abwehrmann Süle erwischt hat, verdeutlicht die aktuell wieder gestiegene Ansteckungsgefahr, die selbst jungen Leistungssportlern unabhängig vom Impfstatus droht. Symptome zeige der Betroffene nicht, hieß es. Heikel ist die Angelegenheit um das in Quarantäne geschickte Quartett. Denn: Laut Robert Koch-Institut müssen enge Kontaktpersonen ohne Symptome nicht mehr in Quarantäne, wenn sie geimpft sind. Die Vermutung liegt also nahe, dass es sich um vier nicht geimpfte Nationalspieler handelt. DFB-Mediziner Meyer wollte den Verdacht bei wiederholten Nachfragen weder bestätigen noch dementieren: »Die Impfung ist ein Kriterium, genau wie die Intensität und Dauer der Kontakte.«

Pikant ist die erzwungene Rückreise auf jeden Fall für Kimmich. Der 26-Jährige hat mit seinem Bekenntnis vor zweieinhalb Wochen, wegen fehlender Langzeitstudien bislang auf die Impfung bewusst verzichtet zu haben, einen Aufschrei öffentlicher Empörung ausgelöst, der auch höchste politische und gesellschaftliche Kreise erreichte. Der in dieser Hinsicht nicht vorbildhafte Führungsspieler hat sich seit seiner etwas brüchigen Erklärung nicht mehr geäußert. Interessant, dass der erklärte Impfbefürworter und Topmediziner Meyer leicht genervt bemerkte, der Fall Kimmich sei »hinreichend diskutiert« worden: »Wir sind an einem Punkt, das akzeptieren wir einfach so.«

»Die gesamte Situation ist nicht leicht«, gestand Bierhoff, der zwar »keine Riesenbetroffenheit« festgestellt hatte, aber spürte, dass »sich die Spieler Gedanken machen«. Die Trainingseinheit wurde kurzerhand vom Vormittag auf den Nachmittag verlegt. »Wir haben immer noch einen starken Kader«, insistierte Bierhoff, wohl wissend, dass Flick sich für die letzten beiden WM-Qualifikationsspiele gegen den Fußballzwerg aus dem Fürstentum und drei Tage später in Jerewan gegen Armenien etwas anderes als diese Unruhe gewünscht hatte. Er berief Ridle Baku und Maximilian Arnold als Lokalmatadoren vom VfL Wolfsburg nach, dazu bekam neben dem Leverkusener Jonathan Tah auch Kevin Volland vom AS Monaco noch eine nachträgliche Einladung, auch weil Nico Schlotterbeck vom SC Freiburg und der Leverkusener Florian Wirtz jeweils wegen muskulärer Probleme passen müssen. Die diffizile Corona-Thematik bleibt also für die Nationalmannschaft ein beherrschendes Thema, das eben auch mit dem besten Matchplan nicht ausgetrickst werden kann.

Einen Widerspruch, dass Fans hierzulande vermehrt nur noch unter Beachtung der 2G-Regel in ein Stadion dürfen, während die Profis frei wählen dürfen, ob sie eine Impfung vornehmen, kann der für die Forstsetzung des Spielbetriebs im deutschen Fußball maßgebliche Professor Meyer übrigens nicht entdecken: Es gelte zu unterscheiden zwischen dem Arbeitsschutz (gilt für Spieler) und dem Infektionsschutz (gilt für Zuschauer) - die unterschiedliche Gesetzeslage führe eben dazu, dass es »keine Gleichheit« gebe. Auch wenn es für Normalsterbliche irgendwie schwierig nachvollziehen ist - wie so vieles in einer Pandemie, die noch lange nicht ausgestanden ist.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.