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Bauland mit Supermarkt

In Elbe-Elster soll eine überflüssige Kaufhalle bei der Erschließung eines Wohngebiets helfen

  • Andreas Fritsche, Herzberg
  • Lesedauer: 4 Min.

An einer S-Kurve der Bundesstraße 87 in Herzberg (Elbe-Elster) erstreckt sich links und rechts ein Acker. Ein Weg führt an ein paar Büschen und einem Graben entlang. Hier läuft eine junge Mutter mit dem Kinderwagen. Wären nicht die Autos auf der Straße, wäre die Szenerie geradezu idyllisch. Die Gegend soll aber ein grundlegend anderes Gesicht erhalten. Nördlich der B 87 ist ein Wohngebiet mit etwa 30 Grundstücken für Eigenheime geplant - nebst 6000 Quadratmetern für Mehrfamilienhäuser der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Elsteraue. Südlich soll ein 2000 Quadratmeter großer Supermarkt mit einem exakt genauso großen Parkplatz entstehen. Zum Projekt gehört ein Kreisverkehr mit Auffahrten für die Kunden und das Wohngebiet.

Gegen das Vorhaben sind mehrere Einwendungen von Anwohnern eingegangen. Sie beschweren sich beispielsweise über die Zufahrt zu ihrem Grundstück, die versperrt werde oder machen sich Gedanken um die Zauneidechsen, die im Graben auf dem Acker schon gesichtet worden sind. Größte Sorge bereitet aber die befürchtete Geräuschkulisse. Es gibt bereits den Verkehrslärm, verstärkt durch Löschfahrzeuge und Rettungswagen, die mit Tatütata aus dem nahen Krankenhaus und der hier ebenfalls gelegenen Feuerwache kommen. Es wurden 250 Unterschriften gesammelt und übergeben. Den Bebauungsplan hat die Stadtverordnetenversammlung am 24. September dennoch beschlossen.

Für Tobias Behr bleiben erhebliche Zweifel. Der 58-Jährige ist Vorsitzender der Linkspartei in Herzberg. Die Partei ist im Stadtparlament nicht mehr vertreten. Sie hatte vor der Kommunalwahl 2019 zwar alle notwendigen Unterlagen beisammen, verpasste aber die Frist, bis zu der sie einzureichen waren. Ihre Kandidaten fehlten deshalb auf den Wahlzetteln. Aber die Ländliche Wählergemeinschaft machte Tobias Behr zum sachkundigen Einwohner im Kulturausschuss. So kann er doch ein bisschen in der Kommunalpolitik mitmischen.

»Wir haben schon sieben Supermärkte. Wir brauchen keinen achten Supermarkt«, steht für Tobias Behr fest. Im Bebauungsplan steht zwar, die Stadt habe die Potenziale geprüft und festgestellt, »dass die vorhandenen Baulücken und Leerstände nicht ausreichen, den Bedarf an Wohnraum und Flächen für einen Vollsortimenter zu decken«. Die Innenstadt sei für die Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel nicht ausgelegt.

Aber so argumentiert Bürgermeister Karsten Eule-Prütz (parteilos) erst gar nicht. Er beginnt auf Nachfrage mit dem Wohngebiet: Die Bevölkerungsentwicklung ist tendenziell eher negativ. In den klassischen Plattenbausiedlungen stehen zehn Prozent der Wohnungen leer. Preiswerte Quartiere gebe es in Herzberg ausreichend, weiß der Rathauschef. »Da haben wir genug.« Doch sonst sei fast nichts vorrätig. Dabei gibt es Rückkehrer und es ziehen Berliner zu. Die können sich ein Haus leisten, finden aber nur schwer eins in der Stadt. Auch Baugrundstücke sind fast nicht mehr frei - nur noch fünf am Büdinger Bogen sowie je eins in zwei anderen Wohngebieten.

Die Gefahr von Überschwemmungen, falls die Schwarze Elster wieder einmal über die Ufer tritt, schränkt die Möglichkeiten erheblich ein. So gesehen könnte man doch besser auf den Supermarkt verzichten und auch diesen Acker mit Baugrundstücken überziehen, oder?

Aber hier kommt die Idee ins Spiel, dass ein Investor für den Markt südlich der B 87 finanziell beitragen soll zur kostspieligen Erschließung der Grundstücke nördlich dieser Straße. Grundstücksentwickler hätten nämlich signalisiert, so der Bürgermeister, bei einem Verkaufspreis von unter 100 Euro für den Quadratmeter Bauland lohne sich für sie der Aufwand nicht. Mehr als 50 bis 70 Euro zu zahlen seien Interessenten jedoch nicht bereit. Nächstes Jahr könnte die Erschließung des Areals eventuell beginnen, sagt Eule-Prütz. In drei Jahren könnte sie dann vielleicht abgeschlossen sein. Was alles zusammen kosten wird, sei noch nicht abschließend errechnet. »Bei einem Quadratmeterpreis von 150 Euro je Quadratmeter würden wir die Reißleine ziehen.«

Tobias Behr, der Ökonomie studierte, hat selbst gerechnet. »Ein Quadratmeter Ackerland kostet hier 62 Cent, ein Quadratmeter voll erschlossenes Bauland kostet 65 Euro«, sagt er. Bei dieser Differenz scheint ihm, die Wohnungsgesellschaft Elsteraue könnte ohne die finanzielle Unterstützung eines Investors auskommen und das Projekt alleine stemmen - zumal sie 5,5 Millionen Euro als Rücklage auf der hohen Kante habe, wenn er die Bilanz richtig lese.

Die Geschäftsführerin der Wohnungsbaugesellschaft hat auch auf wiederholte Nachfrage von »nd« wochenlang und bis heute nicht reagiert. Der Bürgermeister dagegen meldete sich umgehend.

Tobias Behr hat mit beiden gesprochen, aber nicht alles erfahren, was er zu wissen begehrt: Was kostet die Erschließung? Wie viel gibt der Investor dazu? Wer ist der Investor überhaupt? Ihn stört die Geheimniskrämerei. Er möchte den städtebaulichen Vertrag einsehen, der im Juli vergangenen Jahres für das Bauprojekt abgeschlossen und nur im nicht öffentlichen Teil des Stadtparlaments behandelt wurde. Mit den Informationen versehen, sollen die Einwohner von Herzberg mitreden und mitentscheiden dürfen. »Wenn mehr als die Hälfte der Bürger den Supermarkt haben will, dann ist das Demokratie, dann habe ich damit kein Problem«, versichert Behr. Aber so.

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