Abstimmen um jeden Preis

Teilnehmer der Pariser Libyen-Konferenz fordern Durchführung der Präsidialwahlen wie geplant

  • Mirco Keilberth, Tunis
  • Lesedauer: 4 Min.

Die geplanten Wahlen sollen pünktlich durchgeführt werden. Das forderten die Teilnehmerstaaten auf einer internationalen Libyen-Konferenz am Freitag in Paris. Für den 24. Dezember ist die Wahl eines Präsidenten angesetzt; zeitgleich mit einer möglichen Stichwahl soll am 14. Februar auch über ein neues Parlament bestimmt werden. Präsident Emmanuel Macron empfing Angela Merkel, US-Vizepräsidentin Kamala Harris und den italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi auf dem Treffen. Eingeladen waren zudem Libyens Nachbarstaaten. Von libyscher Seite waren außer Übergangspremier Abdelhamid Dbaiba der Vorsitzende des Präsidialrates und die Außenministerin beteiligt.

Doch hinter den Kulissen standen der russische Staatschef Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Mittelpunkt, die den aktuellen Waffenstillstand mit Militärberatern und Söldnern absichern. Während die russische Sicherheitsfirma Wagner und moderne russische Mig-24-Kampfjets für den in Ostlibyen herrschenden Khalifa Haftar im Einsatz sind, garantieren türkische Militärs und bis zu 20 000 syrische Söldner die Sicherheit der Regierung im westlibyschen Tripolis. Mittlerweile überwachen Beobachter der Vereinten Nationen die ehemalige Frontlinie rund um die Stadt Sirte. Der während zweier Libyen-Konferenzen vereinbarte Abzug der Söldner gilt als Voraussetzung für die Abhaltung von freien und fairen Wahlen.

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Ringen um Söldner-Abzug

»Die internationale Gemeinschaft steht Libyen bei«, versprach Angela Merkel dem libyschen Premier. Deutschland engagiert sich seit 2020 auf Bitte des damaligen Chefs der Libyen-Mission der Vereinten Nationen. Nach einem Treffen der ausländischen Partner der libyschen Kriegsparteien 2020 entsandten die in Berlin anwesenden Putin und Erdogan allerdings weitere Söldner nach Libyen. Ein Geheimabkommen der beiden Länder beendete dann den Angriff der ostlibyschen Armee von Khalifa Haftar. In Paris wurde nun der Abzug von 300 Söldnern beschlossen. »Ein Tropfen auf den heißen Stein«, sei das, so der politische Analyst Younis Issa aus Südlibyen. »Die politische Spaltung im Land ist geblieben. Das umstrittene Wahlgesetz als Basis könnte sogar einen weiteren Konflikt auslösen.«

Die westlichen Diplomaten in Paris unterstützen die von der Wahlkommission HNEC organisierten Wahlen bedingungslos und wollen politische Entscheidungsträger, die sich gegen die Abstimmung wenden, mit Sanktionen belegen. Diese könnten Khalid Mischri treffen, Mitglied des Staatsrats, einer Art Parallelparlament mit beratender Funktion in Tripolis. Der aus dem islamistischen Umfeld und der Hafenstadt Zauwia kommende Mischri hat bei der Verfassungskommission um die Annullierung des Wahlgesetzes gebeten. Dieses sei von Frankreich und Ägypten dem libyschen Parlament auferlegt worden, um deren Verbündeten Khalifa Haftar die Chance einer Kandidatur zu ermöglichen, so Mischri. Zusammen mit mehr als 20 Bürgermeistern aus westlibyschen Städten rief er zum Boykott auf. »Wenn in einigen Orten die Wahlbeteiligung bei null liegt, sind die Wahlen automatisch ungültig«, zitiert ihn die Onlinepublikation »Libya Observer«.

Wahlgesetz mit hohen Hürden

Das Wahlgesetz wurde von Parlamentschef Aguila Saleh, einem Verbündeten Haftars, tatsächlich ohne offizielle Zustimmung der Abgeordneten unterschrieben. Demnach benötigen Kandidaten die Unterschriften von 5000 registrierten Wählern. Drei Monate vor der Wahl müssen Kandidaten jegliche öffentliche Anstellung aufgeben. »Wo sonst auf der Welt müssen Schuldirektoren oder Beamte ihren Job aufgeben, um gewählt zu werden«, kritisiert Younis Issa. Dass die Wahlen trotz aller Kritik stattfinden werden, glaubt ein Überraschungsgast im Büro der Wahlbehörde HNEC im südlibyschen Sebha: Seif Al-Islam, Sohn von Muammar Al-Gaddafi. Er gab in Begleitung einer Delegation seine Bewerbungsunterlagen ab. Gegen den 49-Jährigen liegt beim Internationalen Strafgericht ein Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen vor. Nun könnte er am 24. Dezember an die Macht gelangen.

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