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  • Fußball-Bundesliga der Frauen

Neue Spannung, alte Probleme

Harter Kampf um den Titel - und eine bessere Zukunft für die Fußballerinnen

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Zu Überschwang sah Kathrin Hendrich gar keinen Anlass. »Das nehmen wir gerne mit, aber wir wissen auch, woran wir noch arbeiten müssen«, sagte die deutsche Nationalspielerin, die das Spitzenspiel der Frauen-Bundesliga entschieden hatte. Einen von der Latte zurückprallenden Ball köpfte die 29-Jährige zum 1:0-Sieg des VfL Wolfsburg beim FC Bayern in der 69. Minute über die Linie. »Ich habe irgendwann im Spiel gedacht, ich gehe mal nach vorne«, gestand die Verteidigerin, die die Wolfsburgerinnen damit an die Tabellenspitze schoss. Noch größeren Anteil am prestigeträchtigen Erfolg hatte die überragende Torhüterin Almuth Schult, die sich ihre Erkältung nicht anmerken ließ. »Das unterstreicht noch mehr ihre Qualitäten«, lobte VfL-Trainer Tommy Stroot.

Gemeinhin war vor der Saison erwartet worden, dass die FCB-Frauen - analog zu den Männern - diese Saison dominieren würden, denn die (wirtschaftlichen) Rahmenbedingungen sind bei den Münchnerinnen inzwischen die besten. Nun aber liegen die Pokalsiegerinnen aus der Autostadt vor dem Meister. Vorbeigezogen ist auch die TSG Hoffenheim, das ambitionierte Team von Eintracht Frankfurt und Turbine Potsdam sind nach Punkten gleichauf mit dem FC Bayern. »Das ist ein Riesenantrieb für die Zukunft«, sagte Stroot, der derzeit ohne die verletzten Leistungsträgerinnen Alexandra Popp und Ewa Pajor auskommen muss.

Knapp 2000 Zuschauer auf dem Bayern-Campus beschlich das Gefühl, dass nicht zwingend das bessere Team das Aufeinandertreffen jener beiden Klubs entschied, die sich seit 2013 die Titel aufgeteilt haben. Doch jetzt mischen gerade sechs Teams ganz vorne mit. »Es ist gerade megaspannend. Das stärkt auch unsere Spielerinnen«, freut sich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

Bayern wie Wolfsburg machen gemeinsam die Erfahrung, dass die neu eingeführte Gruppenphase der Women’s Champions League die Spielerinnen an Grenzen führt. Es gibt auch keine Ruhepause: In der kommenden Woche geht es am Mittwochabend für die Bayern gegen Olympique Lyon weiter, Wolfsburg erwartet einen Tag später Juventus Turin. »Dieser Monat ist extrem«, erklärt Stroot, man müsse irgendwie versuchen, »die Akkus wieder aufzuladen«.

Die Belastung durch mehr Spiele und weite Reisen ist in dieser Intensität tatsächlich vollkommen neu. Zudem haben die deutschen Vertreter in der vergangenen Woche viel Lehrgeld gezahlt: Bayern (1:2 in Lyon), Wolfsburg (2:2 in Turin) und Hoffenheim (0:4 in FC Barcelona) traten allesamt enttäuscht die Heimreise an. »Wir haben eine sehr gute Liga, aber gerade die anderen Länder wie England, Frankreich und Spanien legen da finanziell sehr stark nach«, urteilt VfL-Geschäftsführer Tim Schumacher. »Man sieht, die anderen Länder sind ein paar Schritte weiter. Die investieren sehr viel mehr in die Vermarktung.«

Das Problem hat Holger Blask, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), erkannt, wenn nächsten Sommer die 2023 auslaufenden Medienverträge neu verhandelt werden. Der lange für die Deutsche Fußball-Liga tätige Vermarktungsprofi war bei Amtsantritt erst einmal verdutzt über die skurrile Situation, dass zwar Fernsehverträge abgeschlossen waren, aber beileibe gar nicht alle Spiele der Frauen fernsehgerecht produziert wurden. Der Verband hat mit seinem Partner Telekom diesen Widerspruch mit einem millionenschweren Investment beendet. Die Frauen-Bundesliga sei immer noch »ein Investitionsprojekt«, so die ehrliche Analyse von Blask.

Wenn er neue Abschlüsse tätigt, sollen bitte mehr als die 89 000 Euro herausspringen, die derzeit jeder Bundesligist als Fernsehgeld bekommt. Einer Ausgliederung der Liga - diesen Antrag hat der Fußballverband Rheinland für den DFB-Bundestag im März 2022 gestellt - steht Blask skeptisch gegenüber. Er sei nicht »grundsätzlich dagegen«, sagt der DFB-Manager, hält es aber derzeit »nicht für den richtigen Schritt«. Noch immer ist es so, dass der Verband und die Vereine bei der Professionalisierung nicht einen solch druckvollen Doppelpass spielen wie das Ausland.

In England, Italien oder Frankreich ist es selbstverständlich geworden, dass die Topmarken häufig auch die großen Arenen der Männer bespielen. Die Bayern-Frauen verbleiben aber auch im Rückspiel gegen den sechsfachen Champions-League-Sieger Lyon auf ihrem Campus. Fassungsvermögen: 2500 Plätze. Dabei steht die Arena in Fröttmaning wegen der Länderspielpause bei den Männern gerade leer. »Wir haben uns mit der Idee schon öfter auseinandergesetzt. Das Thema ›Allianz Arena‹ ist für uns auch nicht sehr weit weg und etwas für die nahe Zukunft«, sagte Bayerns sportliche Leiterin Bianca Rech. Doch Fakt ist, dass sich die höchste deutsche Frauen-Spielklasse bei wichtigen Entwicklungsschritten oft noch selbst im Wege steht. Dazu passt: Dem Vernehmen nach konnten sich die zwölf Klubs auf ihrer jüngsten Tagung nicht dazu durchringen, die Position eines Pressesprechers endlich als hauptamtliche Tätigkeit festzuschreiben. Angeblich fehlt dafür an einigen Standorten der Bedarf.

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