Der alte Hase hat Konkurrenz

Sachsens Linksfraktion muss zwischen Gebhardt und Böhme wählen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf Parteitagen der sächsischen Linken steht traditionell ein Bericht des Fraktionschefs auf dem Plan. Es ist oft nicht gerade der Punkt, der auf allergrößtes Interesse stößt. Anders am Sonntag kurz nach neun in Schkeuditz. Zunächst nutzte Amtsinhaber Rico Gebhardt seine Rede, um seine erneute Bewerbung anzumelden. Dann trat in der Aussprache einzig sein Stellvertreter Marco Böhme ans Pult. Er hielt eine Art Bewerbungsrede, wurde von der abgelaufenen Redezeit ausgebremst – und bestätigte mittags in einer persönlichen Erklärung, dass auch er Vorsitzender werden möchte. Nun haben die 14 Abgeordneten der Fraktion an diesem Dienstag die Wahl.

Gebhardt würde bei einer Wiederwahl im August zehnjähriges Dienstjubiläum feiern. Der damalige Landeschef der Linken wurde 2012 zum Nachfolger von André Hahn gewählt. Drei Jahre zuvor hatte er ihn bereits in einer Kampfkandidatur herausgefordert, war aber gescheitert. Der gelernte Koch aus dem Erzgebirge galt zunächst als Mann des Übergangs, bis ambitionierte Jüngere wie Sebastian Scheel übernehmen. Der ist mittlerweile in Berlin und führte in der abgelaufenen Legislatur das wichtige Senatsressort für Wohnen und Bau. Gebhardt hatte sich derweil in Dresden an der Fraktionsspitze etabliert.

Das ist wohl vor allem seiner Eigenschaft als Moderator geschuldet. In Anspielung auf seine Herkunft wird Gebhardt manchmal als der »Schlichter von Bad Schlema« bezeichnet. Schon als Parteichef von 2009 bis 2017 führte er Flügel zusammen und überbrückte Gräben, von denen es im Landesverband einige gab. In der Fraktion sei es sein Ziel gewesen, allen Abgeordneten zu ermöglichen, ihre eigenen Ziele zu verfolgen, sagte er. Das trug dazu bei, dass er auch nach der desaströsen Landtagswahl 2019 mit ihrem Absturz von 18,9 auf 10,4 Prozent wieder als Chef gewählt wurde, obwohl er Spitzenkandidat war. »Verantwortung heißt, den Übergang zu organisieren«, sagte er damals. Die Amtszeit sollte zunächst ein Jahr betragen; wegen Corona verschob man die Neuwahl aber auf die Zeit nach der Bundestagswahl, bei der die Partei in Sachsen auf 9,3 Prozent einbrach.

Nun bewirbt sich Gebhardt erneut: Er gehöre »zu den alten Hasen, aber nicht zum alte Eisen«, sagte der 58-Jährige und fügte an, es sei »nicht an der Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken«. Er wisse zwar, dass er »nie unumstritten« war, sei aber »offen genug für neue und andere Wege«.

Diese aber sollten mit neuer Führung gegangen werden, sagt Böhme. Der 31 Jahre alte Umwelt- und Verkehrsexperte aus Leipzig, der sehr gut in außerparlamentarischen Initiativen vernetzt ist, seit 2014 im Parlament sitzt und 2017 Fraktionsvize wurde, attestierte Gebhardt, »keinen schlechten Job« gemacht zu haben. Mit Blick auf die Zahl der Anträge und Anfragen lobte er, die Fraktion arbeite »fleißig, professionell und geschlossen«. Doch könne sie es sich mit Blick auf die Landtagswahl 2024 »aus meiner Sicht nicht leisten, einfach so weiter zu machen«. Im Parlament gilt das Interesse oft eher der Koalition aus CDU, Grünen und SPD und deren internen Konflikten sowie der provokanten, zahlenmäßig starken AfD; die Linke bleibt unter dem Radar. Um das zu ändern, müsse sie »mehr Output erzeugen, mehr gesellschaftliche Debatten anstoßen, mehr in die Offensive gehen, Waden beißen, lauter werden und über die Stränge schlagen«, sagte Böhme. Die Fraktion brauche eigens Mitarbeiter, die Kampagnen entwickeln, und sollte Beratung von außen nicht scheuen.

Böhme spricht ausdrücklich nicht von einer Kampfkandidatur, sondern einem »Angebot«. Trotzdem gibt es Unmut. Ex-Landesvize Jana Pinka warb für den »Frontmann der Mitte« Gebhardt; man dürfte den Ruf der Fraktion als »verschworene Gemeinschaft« nicht aufs Spiel setzen. Sie gehört dieser freilich seit der Wahlpleite 2019 nicht mehr an.

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