Maduro gewinnt an Prestige

In Venezuela kehrt die rechte Opposition nach Jahren wieder in die Wahlarena zurück

  • Tobias Lambert
  • Lesedauer: 4 Min.

Eigentlich gehören Regional- und Kommunalwahlen nicht zu den wichtigsten Ereignissen in Venezuela. Dieses Mal jedoch ist vieles anderes. Denn wenn die Wähler*innen am Sonntag inmitten von Pandemie und Wirtschaftskrise dazu aufgerufen sind, 23 Gouverneur*innen, 335 Bürgermeister*innen sowie regionale und lokale Abgeordnete zu wählen, steht auch der Großteil der rechten Opposition auf den (digitalen) Wahlzetteln.

Nach drei Jahren beenden die vier großen venezolanischen Oppositionsparteien somit ihre gescheiterte Boykottstrategie und de facto auch das Kapitel Juan Guaidó. Als sich dieser im Januar 2019 mit Rückendeckung der US-Regierung zum Interimspräsidenten erklärte, zog noch die gesamte rechte Opposition mit. Heute wirkt Guaidó, der sich bis zuletzt gegen eine Wahlteilnahme ausgesprochen hatte, weitgehend isoliert. Nach Verhandlungen mit moderateren Regierungsgegner*innen gehören im Nationalen Wahlrat (CNE) seit Frühjahr zwei von fünf Mitglieder der Opposition an. Ende August erklärten sich deren größte Parteien zur Wahlteilnahme bereit. Die EU ist erstmals seit 15 Jahren mit einer Beobachtermission in Venezuela präsent. Auch das US-amerikanische Carter Center und die Vereinten Nationen haben Wahlbeobachter*innen vor Ort.

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Für Präsident Nicolás Maduro kann die Verlagerung des Machtkampfes zurück an die Wahlurnen also einen Schritt hin zu mehr demokratischer Legitimität bedeuten. »Ich rufe dazu auf, wählen zu gehen und die Ergebnisse zu respektieren«, erklärte er am Dienstag. Ein wichtiger Gradmesser wird tatsächlich die Beteiligung sein. Bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr betrug sie unter Boykott der größten Oppositionsparteien gerade einmal 30,5 Prozent.

Insgesamt 3082 politische Ämter werden am Sonntag neu besetzt. Bislang bekleidet die Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) 300 Bürgermeister- und 19 Gouverneursposten. Trotz der verbreiteten Unzufriedenheit könnte die Regierungspartei auch dieses Mal triumphieren. Denn während sie nach internen Vorwahlen für jedes Amt jeweils exakt einen Kandidaten nominierte, stehen dem etwa 67 000 oppositionelle Kandidat*innen gegenüber. Die Opposition ist entlang der Frage nach der richtigen Strategie gespalten und konnte sich fast nirgendwo auf aussichtsreiche gemeinsame Kandidaturen einigen. Aufgrund der Zersplitterung der Stimmen hat die PSUV gute Chancen, landesweit erneut stärkste Kraft zu werden. Zudem verfügt sie im Vergleich zu den übrigen politischen Kräften über eine eingespielte Wahlkampfmaschinerie. Die rechte Opposition hat hingegen Probleme, nach den schwer nachvollziehbaren Strategiewechseln der vergangenen Jahre überhaupt ihre Wähler*innen zu mobilisieren.

Neben dem von der PSUV dominierten Regierungsbündnis »Großer Patriotischer Pol« treten drei weitere Parteienbündnisse sowie zahlreiche unabhängige, teils nur lokal verankerte Gruppierungen an. Der Großteil des Oppositionssektors, der bisher hinter Juan Guaidó stand, vereint sich unter dem Namen »Tisch der demokratischen Einheit« (MUD). Bei der Parlamentswahl 2015 hatte der MUD als breites Bündnis seinen bisher einzigen Wahlsieg gefeiert. Nachdem er zwischenzeitlich nicht zu Wahlen zugelassen war, wird der MUD heute mehr denn je von den vier größten Oppositionsparteien Primero Justicia, Voluntad Popular, Acción Democrática und Un Nuevo Tiempo dominiert, die auch als »G4« bekannt sind.

Das zweite Bündnis »Demokratische Allianz« ist ein Zusammenschluss moderater Oppositionsparteien, die sich im vergangenen Jahr von der Boykottstrategie der großen Parteien distanziert hatten und bei der Parlamentswahl einige Sitze gewinnen konnten.
Links von der PSUV treten die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV), die gewerkschaftsnahe Partei Heimatland für Alle (PPT) sowie weitere kleine linke Gruppen wie bei der Parlamentswahl erneut als Wahlbündnis »Revolutionär-Populäre Alternative« (APR) an. Das linke Bündnis hat nur Außenseiterchancen und könnte vor allem einige Abgeordnetensitze erlangen. Die Kommunist*innen sehen sich selbst von allen Parteien am stärksten benachteiligt. Unter anderem erteilte der Nationale Wahlrat 14 ihrer Kandidat*innen ohne ausreichende Begründung ein Antrittsverbot.

Trotz der Spaltung der Opposition ist fast sicher, dass die politische Landkarte Venezuelas wieder bunter wird. Innerhalb der Regierungsgegner*innen könnte es außerdem zu Machtverschiebungen kommen. Je nach Ergebnis wird sich auch die zukünftige Oppositionsstrategie in Hinblick auf einen angestrebten Regierungswechsel abzeichnen. Nächstes Jahr wäre laut Verfassung ein Abberufungsreferendum gegen Präsident Maduro möglich. Die nächsten regulären Präsidentschaftswahlen stehen 2024 an.

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