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Hauptstadttakt und kurze Wege

Rot-Grün-Rot will in der kommenden Legislatur den ÖPNV ausbauen – und setzt dabei auf den Bund

  • Maximilian Breitensträter
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Ende treten sie doch noch vor die Mikrofone: Mit über einer Stunde Verspätung eilten Franziska Giffey (SPD), Klaus Lederer (Linke) und Bettina Jarasch (Grüne) am Freitagabend zu ihrem kurzen Pressestatement im Hotel MOA in Moabit. Zuvor hatten die Spitzen der möglichen künftigen rot-grün-roten Koalition in den Konferenzräumen nebenan zusammen mit Unterhändler*innen über viele Stunden eingehend beraten – und das nicht wie ursprünglich geplant zu Stadtentwicklung und Wohnen, sondern zum Thema Mobilität.

Dieses stand eigentlich schon für Mitte der Woche auf der Liste. Aber wegen des großen Diskussionsbedarfs kam man nicht wie gedacht voran. Berlins designierte Regierende Bürgermeisterin Giffey sprach von einem »schwierigen Kapitel« und einem »großen Transformationsprozess«. »Wir mussten unterschiedliche Interessen zusammenbringen, damit alle Berlinerinnen und Berliner mobil sein können«, sagte Giffey. Das Ergebnis dieses Interessensausgleichs: Vor allem der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) soll für eine bessere Mobilität in der Hauptstadt sorgen. Dafür will Rot-Grün-Rot sowohl den öffentlichen Nahverkehr auf der Schiene als auch auf der Straße verbessern – und etwa die bereits angedachten Verlängerungen von U-Bahn- und Tramlinien energisch voranbringen.

Damit nicht nur der Innenstadtbereich gut angebunden ist, sollen auch die Außenbezirke und das Brandenburger Umland von schnelleren und regelmäßigeren Busverbindungen profitieren. Das Schlagwort heißt Hauptstadttakt: In den dicht besiedelten Quartieren sollen die Berliner*innen fünf Minuten auf Bus oder Bahn warten, weiter außerhalb nicht mehr als zehn, wie Grünen-Fraktionschefin Jarasch erläuterte. »Wir wollen, dass niemand weiter als 400 Meter zur nächsten ÖPNV-Haltestelle laufen muss«, sagte Jarasch. Auch ein größeres Straßenbauprojekt wollen die Koalitionsparteien anpacken: Die Tangentialverbindung Ost soll zur Anbindung von neuen Stadtteilen wie dem Blankenburger Süden beitragen. Entlang der Trasse soll es auch eine S-Bahn sowie Radwege geben. »Dafür brauchen wir auch zusätzliche Planungskapazitäten«, sagte Linken-Spitzenkandidat Lederer. Zudem will das Bündnis erstmalig auch eine Seilbahn in das ÖPNV-Netz integrieren: die aktuell noch privatwirtschaftlich betriebene Strecke in den Gärten der Welt in Marzahn. Weitere Vorhaben sind der Ausbau der E-Bus-Flotte, neue Expressbuslinien zum Stadtrand und ins Umland, sowie neue Rad- sowie Radschnellwege. Auch der Ausbau von S-Bahn und Regionalbahnlinien solle voranschreiten.

Dass man beim Thema U-Bahn-Ausbau vor allem auf finanzielle Hilfe vom Bund setzt, machte Giffey deutlich. Konkret wolle man die Planungen für fünf Streckenverläufe durch eine Kosten-Nutzen-Analyse – die nach Giffey zwingende Voraussetzung für die Beantragung von Bundesmitteln ist – auf den Weg bringen. Vor allem für die U3, die von der Endstation Krumme Lanke in Zehlendorf bis zur S-Bahn-Station Mexikoplatz verlängert werden soll, sieht die SPD-Politikerin gute Chancen für einen Baustart bis zum Legislaturende im Jahr 2026. Offen ließen Giffey, Jarasch und Lederer, wie es um die dritte Finanzierungssäule neben Bundesgeldern und regulären Ticketeinnahmen bestellt ist. Diese Frage wolle man mit den Haushaltsexpert*innen abschließend beraten.

Der RBB meldete am Samstag, dass die voraussichtlich künftige rot-grün-rote Koalition außerdem beim Bund dafür werben will, dem Land die S-Bahn zu verkaufen. Klaus Lederer sagte demnach, darauf hätten sich SPD, Grüne und Linke bei ihren Koalitionsgesprächen verständigt.

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