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Indiens Bauern bleiben hartnäckig
Nach einjährigem Protest zieht die Regierung die Agrarreform zurück. Aktionsbündnis will noch mehr
Höflich in der Form, knallhart in der Sache war die E-Mail, die das Bündnis aus diversen Bauernverbänden und Gewerkschaften Samyukta Kisan Morcha an Premierminister Narendra Modi am Sonntag schickte. Darin wird der Regierungschef nachdrücklich zu neuen Verhandlungen aufgefordert: »Sie haben uns gebeten, nach Hause zu gehen. Auch wir wollen gern zu unseren Familien heimkehren, wenn die ausstehenden Fragen geklärt sind. Wenn Sie das auch wollen, sollten Sie umgehend die Gespräche mit der Samyukta Kisan Morcha über deren sechs Punkte wieder aufnehmen. Bis dahin wird die Morcha ihre Bewegung fortführen«, heißt es in dem Schreiben.
Mittlerweile ein Jahr dauern die Bauernproteste an, die damit die bisher längsten in der Landesgeschichte sind. Sie hatten sich an einem von der regierenden hindunationalistischen Bharatiya Janata Party BJP im September 2020 beschlossenem Paket von drei Gesetzen entzündet. Dieses sollte den indischen Agrarmarkt reformieren und durch stärkere Öffnung für Konzerne modernisieren. Die unmittelbar Betroffenen kritisierte allerdings eine drohende Abkehr von garantierten Mindestabnahmepreisen und noch mehr Druck in einer Branche, die ohnehin durch Überschuldung und Tausende Selbstmorde von Farmern geprägt ist. Am Mittwoch soll das Kabinett formell über die bereits am Freitag verkündete Rücknahme der Gesetze beschließen. Das Bündnis Samyukta Kisan Morcha, das all die Monate die Proteste anführte, bleibt aber skeptisch.
Ganz wichtig ist den protestierenden Bauern, dass das System des Mindestabnahmepreises von der Regierung auch in Zukunft garantiert wird. Zu ihren erwähnten sechs Forderungen gehört außerdem eine Kompensationszahlung an die Familien jener etwa 700 Menschen, die im Laufe der Widerstandsaktionen ums Leben gekommen sind, sowie die Einstellung aller Gerichtsverfahren, die gegen Protestbeteiligte angestrengt wurden. Außerdem geht es um die Entlassung von Ajay Kumar Mishra, Staatsminister im Innenministerium. Ein Wagen aus dessen Fuhrpark war am 3. Oktober in eine Gruppe protestierender Farmer gefahren, von denen vier sofort ums Leben kamen – insgesamt forderte der Vorfall in Lakhimpur Kehri im Unionsstaat Uttar Pradesh acht Todesopfer. Der Staatsminister gab zu, dass das Auto ihm gehört. Er stritt aber den Vorwurf ab, dass sich in dem Wagen sein Sohn Ashish Mishra befunden habe. Dieser wurde in Untersuchungshaft genommen und verhört. Wegen der Brisanz des Verfahrens hat sich sogar der Oberste Gerichtshof Indiens eingeschaltet, der sich regelmäßig über die Ermittlungsfortschritte in dem Fall informieren lässt.
Schon jetzt dürfen die nun seit einem Jahr anhaltenden Proteste als historisch eingestuft werden. Nicht nur deren Zeitdauer und damit die Hartnäckigkeit der zeitweise bis zu 300 000 Beteiligten allein rund um Delhi ist bislang beispiellos, sondern auch der Zusammenhalt innerhalb der breiten Aktionsfront. Schließlich gibt es bei den Bauern, ähnlich wie im indischen Gewerkschaftssektor, eine Vielzahl von Organisationen, von denen ein Teil einer der großen Parteien nahesteht, andere unabhängig sind. Diesmal zog das gesamte Lager von liberal bis kommunistisch an einem Strang, ließ sich auch bei Spaltungsversuchen nicht auseinanderdividieren.
Die Aktionen fokussierten sich auf die drei nordindischen Staaten Punjab, Uttar Pradesh und Haryana im erweiterten Umfeld der Hauptstadt Delhi, Bauernverbände aus allen Ecken des Landes waren beteiligt. Wiederholt demonstrierten zudem Gewerkschaften, Studierendenverbände und andere Gruppen mit eigenen Aktionen ihre Solidarität. Die aufgebrachten Farmer wurden somit zur Speerspitze einer breiten Volksbewegung und beinahe nationalen Ikonen des Widerstands gegen die Modi-Regierung. Die Gesetzesrücknahme wurde als wichtiger Erfolg der Bewegung vom früheren Oppositionsführer und Ex-Chef der Kongresspartei INC, Rahul Gandhi sowie Sitaram Yechury, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Indiens-Marxistisch CPI-M gewürdigt.
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