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Des Fußballkaisers Gefolgschaft

Zirkus Europa: Der FC Bayern muss nach Kiew, wie einst im denkwürdigen Jahr 1999

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Was macht eigentlich Franz Beckenbauer? Der Mann, der im Märchensommer 2006 zugleich in München, Berlin und Hamburg anwesend zu sein schien – immer unterwegs mit seinem Helikopter, damit er wirklich nichts und niemanden verpasst und niemand ihn. Bekannt ist auch, dass das Sommermärchen auch für den deutschen Fußballkaiser kein Happy End hatte. Auch deshalb und ob seines gesundheitlichen Zustandes war kaum noch etwas von Beckenbauer zu hören. Zuletzt gab es mal ein Grußwort zur Verabschiedung von Joachim Löw, aber da hat er wahrscheinlich kein Wort selbst verfasst. Zu seinem FC Bayern hat Beckenbauer sich ohnehin schon länger nicht mehr geäußert. Dabei wäre die Zeit durchaus reif für ein kaiserliches Machtwort, über Kimmich, Corona, Gehaltskürzungen und so.

Nach dem 1:2 am Freitagabend beim FC Augsburg und der anhaltenden Unruhe um impfunwillige Profis reisen die Münchner einigermaßen zerzaust zur nächsten Vorstellung im europäischen Fußballzirkus nach Kiew. Im riesigen Olympiastadion geht es gegen Dynamo im vorletzten Spiel der Vorrundengruppe E in der Champions League um nichts mehr, jedenfalls nicht für die Bayern. Nach vier Siegen sind sie schon sicher für das Achtelfinale qualifiziert, selbst der Gruppensieg ist ihnen nur noch schwerlich zu nehmen.

Die Münchner haben in Kiew schon Gastspiele von ungleich höherer Bedeutung erlebt. Zum Beispiel im April 1999. Und damit sind wir wieder bei Franz Beckenbauer und seinen einst gefürchteten Brandreden. Selten hat der Kaiser so über seine Gefolgschaft geschimpft wie nach jenem Hinspiel im Halbfinale der Champions League im im Kiewer Olympiastadion. Wie eine Schülermannschaft habe sich seine Mannschaft angestellt, wetterte der damalige Vereinspräsident Beckenbauer tief in der Nacht. Er stand am Gepäckband des Münchner Flughafens und hielt ein vernichtendes Referat zur internationalen Konkurrenzfähigkeit des deutschen Rekordmeisters.

Später hat er dann doch noch ein wenig geschwärmt. Nicht etwa vom späten Comeback der Bayern, einem 3:3 in letzter Minute. Sondern von den Ukrainern. Dynamo Kiew hatte die Münchner Mannschaft eine gute Stunde lang vorgeführt. 75 000 Zuschauer im Olympiastadion staunten, wie ein 22 Jahre junges Bürschchen die bayerischen Mannen mit seinen Finten und Sprints lächerlich machte. Der künftige Weltstar Andrij Schewtschenko schoss zwei Tore, womit die Münchner noch ganz gut bedient waren, es hätten auch vier oder fünf sein können. Zwischenzeitlich führte Dynamo 2:0 und eine Viertelstunde vor Schluss 3:1. Das Finale in Barcelona war in diesem Augenblick nicht nur geografisch ganz weit weg.

Am Ende profitierte der FC Bayern von der Übersicht seines Spielmachers Stefan Effenberg, der sich mit Fieber über den Platz geschleppt hatte und einen Freistoß zum richtungsweisenden Anschluss ins Kiewer Tor zirkelte. Der kantige Stürmer Carsten Jancker wurschtelte den Ball dann in der Schlussminute irgendwie zum Ausgleich über die Torlinie, was den ewigen Libero Lothar Matthäus zu der doch recht eigenwilligen Analyse verleitete, die Bayern seien die deutlich bessere Mannschaft gewesen. Die Antwort darauf gab Franz Beckenbauer tief in der Nacht am Gepäckband des Münchner Flughafens.

Zwei Wochen später war aller Ärger vergessen. Mario Basler schoss die Münchner im Rückspiel zum 1:0-Sieg und damit ins Finale nach Barcelona. Dort verlor der FC Bayern gegen Manchester United ein noch denkwürdigeres Spiel, aber das ist eine andere Geschichte aus dem europäischen Fußballzirkus.

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