• Berlin
  • Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin

Kritik an Umzugsplänen

Die Berliner Bezirke sollen Flüchtlingsunterkünfte freiziehen, in Lichtenberg sieht man das kritisch

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Verwaltung von Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) macht Druck auf die Bezirke. Sie sollen Flüchtlinge in eigenen Unterkünften unterbringen, um mehr Platz für Neuankömmlinge in denen des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) zu schaffen. 100 Plätze soll jeder Bezirk bereits bis zum 17. Dezember nachweisen (»nd« berichtete). Es geht um Geflüchtete, die bereits das Recht haben, im Rahmen der bezirklichen Wohnhilfe untergebracht zu werden, wenn sie keine eigene Wohnung finden.

Der Lichtenbürger Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) sowie sein Stellvertreter Kevin Hönicke (SPD) wehren sich nun in einem »nd« vorliegenden Schreiben gegen die Vorgehensweise der Integrationssenatorin. Man habe Verständnis für den »Handlungsdruck« und stemme »aus Überzeugung« einen »vergleichsweise hohen Anteil an Integrationsprozessen in der Stadt«, heißt es in dem Schreiben, mit dem sich die Lichtenberger Politiker an Elke Breitenbach wenden. Aber man befürchte, dass der nun geforderte schnelle Freizug »in hohem Maße kontraproduktiv zu allen bislang integrationspolitisch gemeinsam verfolgten Zielsetzungen« verlaufe. Diese Art von »Umsetzung« sei mit hohen Risiken für die Betroffenen verbunden: Brüche in gewachsenen Sozialkontakten, fehlende Sozialbetreuung, Wechsel des Sozialraums. Vermieden werden müsste dies zumindest für verletzliche Gruppen, wie Grundschüler, Schwangere und andere. Man sei in den Unterkünften auf »erhebliche Verunsicherung« bei Betroffenen gestoßen, und bei ehrenamtlichen Helfer*innen auf Unverständnis gegenüber dem Vorhaben, so Grunst und Hönicke.

Laut LAF waren Ende September 19 805 Plätze in den landeseigenen Unterkünften belegt. Bei der Organisation Berlin hilft geht man davon aus, dass 10 000 Plätze davon von Menschen genutzt werden, die bereits das Asylverfahren durchlaufen und eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen vom Bundesamt für Migration zugesprochen bekommen haben und damit eigentlich der Zuständigkeit der jeweiligen Bezirke unterliegen. Dies sei auch gut so, denn vielfach seien Unterkünfte, die von den Bezirken belegt werden, ohne jegliche Qualitätsstandards, Betreuung und schlicht oft unzumutbar, heißt es seitens der Hilfsorganisation.

Das weiß auch die Integrationssenatorin. Sie hat nicht nur die mangelhafte bezirkliche Unterbringung häufig kritisiert, sondern mit dem seit August als Pilotverfahren laufenden System der gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung auch ein Instrument für eine bedarfsgerechte, zentralisierte Vergabe an Unterkünften vorangebracht. Der »Wildwuchs« bei der Unterbringung solle beendet werden, hatte Breitenbach immer wieder gefordert. Auf den Brief aus Lichtenberg werde sie selbstverständlich reagieren, erklärt Breitenbach auf nd-Nachfrage.

Die Einwände des Bezirks sind deutlich: »Es ist kein geeigneter noch ein realistischer Weg, die neu benötigten Unterbringungskapazitäten so kurzfristig über die Bezirke herzustellen.« Stattdessen fordert man mehr Vermittlung von kommunalem Wohnraum. Aber auch an dem mangelt es bekanntlich.

Die Forderung an die Bezirke begründet sich in den steigenden Zahlen von Menschen, die aus dem Mittleren Osten den Weg bis nach Deutschland schaffen, um hier Asyl zu beantragen. Seit Oktober werden in der Hauptstadt wieder die Kapazitäten in verschiedenen Gemeinschaftsunterkünften erhöht. Unter anderem wurden zwei Modulare Unterkünfte neu eröffnet und mehrere ältere Heime reaktiviert.

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