Neuer Glanz für Marias blaue Augen

Start der alljährlichen Spendenaktion für vergessene Kunstwerke in brandenburgischen Dorfkirchen

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch niemals in der Geschichte war der bauliche Zustand der brandenburgischen Dorfkirchen so gut wie heute. Doch ist nichts so gut, dass es nicht noch besser sein könnte. Deshalb gab Kulturministerin Manja Schüle (SPD) am Mittwoch den Startschuss zur diesjährigen weihnachtlichen Aktion »Hilfe für vergessene Kunstwerke«. Die eingesammelten Spenden sollen der Dorfkirche Dallmin (Prignitz) zugutekommen. Dort gilt es, ein seidenbesticktes Messgewand aus dem 15. Jahrhundert zu retten und einer geschnitzten blauäugigen Maria wieder zu neuem Glanz zu verhelfen, indem der zu befürchtende »Verlust der Farbschicht« abgewendet wird.

Unabhängig davon, ob Dorfbewohner gläubig sind, die Dorfkirche sei »regional identitätsstiftend«, zeigte sich die Ministerin überzeugt. Das Land Brandenburg habe sich in den vergangenen 30 Jahren nicht lumpen lassen: Zwei Drittel der 1500 Dorfkirchen seien in einem guten Zustand, und auch das verbleibende Drittel sei »immer noch gesichert«.

Landeskonservator Thomas Drachenberg sieht hier eine gute Entwicklung nach den in dieser Beziehung »prekären« DDR-Jahren. Er freute sich, dass seit 1990 nicht eine einzige Kirche habe abgerissen werden müssen

In Dallmin habe es 1990 zwei Gaststätten gegeben, einen Bäcker, ein Lebensmittelgeschäft, eine Post, eine Schule. »Nichts davon ist noch vorhanden«, sagte Bernd Janowski, Geschäftsführer des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg. Er sprach von Regionen, in denen Kirchen kaum noch als solche genutzt werden, und nannte als Beispiel die Uckermark. Dennoch halte sich die Zahl der Kirchengebäude, die verkauft werden mussten, »in Grenzen«.

Mit hohen Summen wurden Hunderte Kirchen instand gesetzt, während um sie herum das Leben erstarb, Menschen wegzogen, ganze Regionen verödeten. Für Ministerin Schüle sind die restaurierten Gotteshäuser aber nicht Dekoration einer solchen deprimierenden Entwicklung, sondern im Gegenteil Ausdruck eines Neubeginns und der Hoffnung, dass es irgendwann wieder eine Infrastruktur geben werde.

Mitunter sei es eine einzige zugezogene Familie, die dann die anderen bei der Wiederbelebung des dörflichen Lebens mitziehe, bestätigte Janowski. Zu seinen Erfahrungen gehören »starke örtliche Netzwerke«, ohne die solche Projekte des Kirchenerhalts einen schweren Stand hätten.

Man könne »wirtschaftliche Großentwicklungen« nun einmal nicht umkehren, bedauerte Christina-Maria Bammel, Pröbstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Eine »Generallösung« für alle Kirchen gebe es naturgemäß nicht. Für die Kirche in Dallmin liege ein »Mehrfachnutzungskonzept« nicht auf dem Tisch. Doch zeige sich die Evangelische Kirche solchen Dingen gegenüber aufgeschlossen. Die heutigen Dorfkirchen müssten nicht zwangsläufig ausschließlich dem Gottesdienst vorbehalten sein. »Die gesamte Dorfgemeinschaft kann partizipieren«, sagt Bammel.

Überwältigend sind die weihnachtlichen Spendenergebnisse allerdings nicht. Im vergangenen Jahr kamen etwa 16 000 Euro zusammen. Das lag im Durchschnitt der Ergebnisse der vergangenen Jahre, bestätigte Janowski, dessen Förderkreis 600 Mitglieder zählt. Meist handele es sich um eine Art Startkapital, das es ermögliche, überhaupt Förderanträge zu stellen.

Scheitern Pläne zur Rekonstruktion nicht oft an unbezahlbaren Forderungen des Denkmalschutzes? »Natürlich gibt es Konflikte«, sagte Konservator Drachenberg. Einer »Flexibilisierung« der Denkmalschutzvorschriften mochte er nicht das Wort reden. Zumeist seien Schwierigkeiten auf mangelnde Kommunikation zurückzuführen. Es bestehe kein grundsätzliches Verbot, in ein Kirchengebäude eine Toilette einzubauen und es so einer vielfältigeren Nutzung zuzuführen. »Warum soll der Abwasser-Zweckverband dort nicht tagen? Warum einen neuen Gemeinderaum bauen, wenn in Form der Kirche einer vorhanden ist?«

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