- Kultur
- »Emotional« von Falco
Fröhlich in den Untergang
Falco war eine singuläre Erscheinung, doch ihm fehlte der Mut von David Bowie. Anmerkungen zur Wiederveröffentlichung seines Albums «Emotional»
Ich weiß nicht, was ich machen soll«, beklagte sich Johann Hölzel, besser bekannt als Falco, im Herbst 1988 bei seinem Bandchef Thomas Rabitsch, »die Leute erwarten von mir immer den Falco, und ich würde doch so gerne ganz andere Sachen machen.« Armer Hansi Hölzel.
1988 war das Jahr, in dem der Weltruhm endgültig vorbei war. Das Album »Wiener Blut« war gefloppt, die Tour mangels Nachfrage abgesagt. Eigentlich wollte er so eine Art österreichischer David Bowie sein. Ein künstlerisches Chamäleon mit ständig wechselndem Image. Nur der Erfolg sollte schon konstant sein, am besten weltweit. So wie er 1985 mit seiner Single »Rock me Amadeus« Nummer eins in den USA und England geworden war. Danach ging es kreativ und kommerziell abwärts. Das kündigte sich schon Ende 1986 an, als Falco sein Album »Emotional« veröffentlichte. In den deutschsprachigen Ländern war es noch sehr erfolgreich, doch es fehlte die zündende Idee. Es fehlte der Mumm eines David Bowie.
Die Figur des »Falco« war im Grunde ein künstlerisches Konzept, und Hölzel sah sich als Regisseur in eigener Sache. »Produced by Rob and Ferdi Bolland, Directed by Falco«, so heißt es programmatisch auf dem Cover des 1985er Albums »Falco 3«, auf dem »Amadeus« drauf war. Dass er ein internationales Publikum ansprechen konnte, lag auch an Hölzels Textkunst. Denn deutscher Pop, hatte Diedrich Diederichsen einst erklärt, sei immer sekundär, immer nur ein Imitat anglo-amerikanischer Originale. Hölzel erhob diese Sekundarität zum Primat seiner Texte und fütterte die Popmusikhörer aller Welt mit popmusikalischen Referenz-Collagen. Pop muss nicht verstanden werden. Pop muss gefühlt werden.
Johann Hölzel fügte in seinen Texten Schlagwörter und Slogans zusammen und verdichtete sie zu einer Art multilingualem Zeitgeist-Fühl-Esperanto. Die Musik dazu bekam er von kreativen Zulieferern wie dem Produzenten Robert Ponger (»Der Kommissar«) oder den Hochglanzpoppern Rob und Ferdi Bolland (»Amadeus«). Den visuellen Aspekt des Projekts gestaltete das Regisseur-Duo Rossacher/Dolezal, die für Falco wegweisende Videos wie »Amadeus« oder »Jeanny« produzierten.
Falcos Erfolgsgeheimnis war das Surfen auf popkulturellen Bezügen. Bei seinem ersten großen Hit »Der Kommissar« assoziierte das Publikum der frühen Achtziger sofort die Krimiserie mit Erik Ode. Hölzel inszenierte Falco als eine Art Thin White Duke mit Schlapphut und Kommissar-Trenchcoat. »Amadeus« dagegen schwamm auf der Erfolgswelle von Miloš Formans Mozart-Film mit. Im »Amadeus«-Video wird Falco einmal als Punk-Amadeus inszeniert, andererseits lehnt er sich an die livrierte Filmfigur Paul Ambrosius von Przygodski an, die David Bowie in dem Film »Schöner Gigolo, armer Gigolo« verkörperte.
Mit dem Skandal-Video zu »Jeanny« stellte Falco Bezüge zum Fritz-Lang-Film »M« her. Er glitt auf den Strahlen des Neonlichtschimmers seiner Anspielungen mit einem Selbstverständnis in die Charts, als seien sie nur für ihn erfunden worden. Dabei war er ein absolutes Nischenprodukt. Deutschsprachig, Sprechgesang, Ex-NDW. Er verkörperte einen tiefenironischen Fatalismus, der perfekt in die Endphase des Kalten Krieges passte. Fröhlich in den Untergang.
Im März 1986 hatte er mit »Amadeus« die Spitze der amerikanischen und britischen Charts gestürmt. Die internationale Promotion für diese Single und das Album »Falco 3« hatte Hölzel ausgelaugt. Trotzdem machte er sich an die Produktion eines neuen Albums. Wieder schwebte ihm ein Imagewechsel vor. Falco sollte natürlicher werden, sich gefühlvoller zeigen. Beim größten Teil des Albums ließ Hölzel den Bollands freie Hand.
Schon die im Sommer ’86 veröffentlichte Vorabsingle »The Sound of Musik« war großartig. Sie versuchte das Kommissar/Amadeus-Erfolgsrezept zu wiederholen, und lehnte sich an das berühmte Trapp-Familien-Musical »The Sound of Music« an. Mit der Zweiteilung in einen ruhigen Rap-Teil und einen großen gesungenen Part, wagte das Team Hölzel/Bolland etwas Neues. Die Single war ein Erfolg, konnte aber international nicht mal ansatzweise an »Amadeus« anknüpfen. Im Oktober 1986 kamen dann das Album »Emotional« und die zweite Single »Coming Home«, der zweite Teil der geplanten und nie vollendeten »Jeanny«-Trilogie. Album und Song schossen sofort auf Platz 1 der Charts in den deutschsprachigen Ländern. In Großbritannien und den USA wurden sie praktisch ignoriert.
»Emotional« ist detailreicher, durcharrangierter 80er-Jahre-Power-Pop. Nie wieder waren die Bollands besser. Hölzels kreative Anteile waren im Vergleich zu den vorangegangenen Alben kleiner. Falco lieferte den Sprechgesang, der von ihm erwartet wurde, durfte aber mehr singen. Das war Hölzels ausdrücklicher Wunsch gewesen. Die Videos zum Album zündeten nicht. »The Sound of Musik« wirkt wie ein müder Abklatsch des »Amadeus«-Videos. In »Coming Home« sollte Falco aussehen wie Hans Albers im bereits vergessenen Ufa-Film »Wasser für Canitoga« von 1939. Ebenfalls keine besonders aufregende Idee. Es scheint als sei Johann Hölzel das Gespür für den Zeitgeist entglitten. Alles wirkt, als habe man absolut auf Nummer sicher gehen wollen.
Das hat auch bis zu einem gewissen Grad funktioniert. »Emotional« rutschte auf den verglühenden Ruhmesstrahlen von »Amadeus« und »Jeanny« in die Charts. In den folgenden Jahren entgleiste das Konzept Falco aber endgültig. Falco lieferte weiterhin brillante Texte und schöne Songs, wirkte jedoch im aufkommenden Euro-Dance und Techno wie ein ziemlich antiquierter Rock-Dinosaurier.
Das Jubiläums-Reissue zeigt, dass »Emotional« hätte noch besser werden können, als es ohnehin ist. Faszinierend ist vor allem die »Her Side of the Story«-Version der gefloppten Single »Emotional« auf der Remix-CD. Damit hätte man auf dem nur neun Songs enthaltenden Originalalbum eine konzeptionelle Klammer setzen können. In dem Plastik-Soul-Song »Emotional« beschreibt das lyrische Ich Falcos, wie sehr er von der Liebe zerrissen wird.
In »Her Side of the Story« beschreibt die besungene Frau ihre Sicht der Dinge (»I heard your story on the other side of the record«). Hochgradig originell. »The Sound of Musik« entfaltet in sieben Versionen (!) tatsächlich jedes Mal neue Aspekte seiner Magie. Auch daraus hätte man für das Album etwas machen können. Das »Sound of Musik/Music«-Konzept wäre ausbaubar gewesen. Auch als Liveshow. Aber für solche Gedanken war damals wohl nicht der richtige Zeitpunkt.
Abgerundet wird das Reissue durch das Live-Set der »Emotional«-Tour. Dass Falco inzwischen in einer Art Schlager-Musical-Nostalgie-Nische versumpft ist, bleibt rätselhaft. Falco war eine künstlerische Singularität im Pop-Kosmos der 80er Jahre. Aber seine Karriere ist an Mutlosigkeit zugrunde gegangen. Irgendwo zwischen dem Versuch, das Amadeus-Publikum zufriedenzustellen, und der Absicht, trotzdem an aktuelle Trends anzuschließen. Bis zu seinem Tod 1998 fehlte ihm der Mut zum Misserfolg. Und den hatte eben nur David Bowie.
Falco: »Emotional - 2021 Remaster« (Warner)
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