Für den Booster in die Kälte

Vor der neuen Impfstelle in Marzahn bilden sich am Montag lange Schlangen

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.

Fast einmal rund um den Victor-Klemperer-Platz im Berliner Ortsteil Marzahn zieht sich am Montagmittag eine lange Warteschlange. Über 200 Menschen stehen in der klirrenden Kälte - teils schon bis zu vier Stunden. Im Freizeitforum in der Marzahner Promenade 55 hat an diesem Montag ein neues Impfzentrum des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) den Betrieb aufgenommen.

Triage wie seit 1945 nicht mehr. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin fordert einen umgehenden Lockdown für Ungeimpfte

Er habe damit gerechnet, lange warten zu müssen und sei daher schon eine Stunde vor der Öffnung, um 8 Uhr, hergekommen, sagt Frank, der für seine Auffrischungsimpfung mit Moderna da ist. Aber dass es so lange dauern würde, hätte er nicht gedacht. Gegen 12 Uhr ist er endlich fast am Eingang angekommen. Ihn ärgert jedoch nicht nur die lange Wartezeit. »Insgesamt haben wir im Osten viel zu wenig Impfstellen. Dafür, dass wir seit zwei Jahren in der Pandemie sind, ist das echt schwach«, findet er und verweist auf die vorübergehende Impfmöglichkeit auf dem Ikea-Parkplatz in Lichtenberg, die Ende September schon wieder geschlossen wurde.

Impft überall! Sebastian Weiermann fordert mehr dezentrale Impfangebote

Auch andere Wartende sind verärgert und nennen die neue Impfstelle »schlecht organisiert«. Er bereue schon, überhaupt gekommen zu sein, sagt ein älterer Mann. »Ich hätte auf den Termin bei meiner Hausärztin im Februar warten sollen«, sagt er. Aber da er im Dezember in den Urlaub fahre, wollte er seinen Impfschutz gerne jetzt schon auffrischen lassen. So könne man Menschen, die sich bislang gar nicht haben impfen lassen, wohl nicht erreichen, ergänzt seine Begleiterin.

Her mit der Corona-Auffrischung. Impfzentren stocken Personal auf, um dem Bedarf an Drittimpfungen gerecht zu werden

Tatsächlich scheinen die meisten Wartenden für die dritte Impfung gekommen zu sein. »Die Auffrischungsimpfungen sind die nachgefragtesten«, sagt auch Jörg Hinderberger, Landesgeschäftsführer des ASB. Insgesamt sollen in den sechs Impfkabinen des Marzahner Freizeitforums 600 Menschen täglich geimpft werden. 50 Hauptamtliche sind hier als medizinisches Personal, als Begleitservice, für die Dokumentation und die Ausstellung der digitalen Impfpässe beschäftigt, erklärt Sarah Maaß, Geschäftsführerin der ASB-Nothilfe Berlin.

Das Marzahner Impfzentrum ist eines von drei, neben dem im Ringcenter I an der Frankfurter Allee und dem an der Trabrennbahn Karlshorst, die zwischen dem 26. November und dem 3. Dezember neu aufmachen. »Es ist gut, dass wir mit den drei Impfstellen unser Impfangebot an die Berliner*innen noch erweitern. Wichtig ist jetzt, dass die Bürger*innen dieses für Ihre Erst-, Zweit-, und Auffrischungsimpfung auch in Anspruch nehmen«, sagt Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), die zur Eröffnung im Freizeitforum gekommen ist.

Vakzine bleiben begrenzt verfügbar. Gesundheitsminister bleibt bei Rationierung von Biontech-Dosen, um Moderna vor Verfall zu verbrauchen

»Wir haben in Marzahn-Hellersdorf viel weniger Ärzte als andere Bezirke, deshalb brauchten wir dringend eine Möglichkeit, um sich auch ohne Termin impfen lassen zu können«, sagt Gordon Lemm (SPD), Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, zu »nd«. Um die Kälte für die draußen Wartenden erträglicher zu machen, hat er mit der Bäckerei am Victor-Klemperer-Platz vereinbart, dass Menschen sich dort Tee holen können. Ehrenamtliche des ASB verteilen außerdem Wärmedecken, und die Marzahn-Hellersdorfer Linke schenkt kostenlos Kaffee aus. »Wir wollen uns solidarisch zeigen mit den Wartenden«, erklärt Paul Lehmann. »Gerade für die älteren Menschen ist die Kälte sehr schwierig«, ergänzt sein Parteikollege Felix Gläser. »Sehr vorbildlich« findet eine der Wartenden das Angebot. Weniger gut gefällt ihr, dass die Schlange sich schon seit geraumer Zeit gar nicht fortbewegt habe.

Das Impfzentrum im Freizeitforum Marzahn ist von Montag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr, Samstag von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Ein Termin ist nicht notwendig. Unter 30-Jährige und Schwangere bekommen das Vakzin von Biontech, alle anderen das von Moderna. Ab Dienstag gibt es hier auch eine Teststelle.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!