Ungeprüfter Impfstoff

Lübeck: Pharmaunternehmer lässt eigenes Vakzin spritzen

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Millionär, der sich als Hobby den kleinen, unrentabel arbeitenden Flughafen Lübeck-Blankensee leistet, hat wieder für Schlagzeilen gesorgt. Mit dem von ihm entwickelten, nicht zugelassenen Corona-Vakzin hat er auf dem Gelände seines Airports Menschen immunisieren lassen. Im Mai hatten bereits Ärzte in Sachsen den Impfstoff nach der von Stöcker im Internet verbreiteten Anleitung hergestellt und ihn Patienten auf deren Wunsch verabreicht.

Schon Wochen vorher war für die am Wochenende am Flughafen durchgeführte Impfaktion eine Homepage mit Anmeldemöglichkeit eingerichtet worden. Mehrere Hundert Menschen hatten den Airport angesteuert, um sich das Mittel injizieren zu lassen. Erst als bereits 107 Personen die Spritze bekommen hatten, stoppte die Polizei die Aktion. Sie nahm im Zuge der Beweissicherung zahlreiche Personalien auf, beschlagnahmte Impflisten, Vakzin und Spritzen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Laut Lübecker Staatsanwaltschaft wird nun gegen vier Männer wegen des Verstoßes gegen Paragraf 96 des Arzneimittelgesetzes ermittelt. Dabei handelt es sich nach NDR-Recherchen um Stöcker, seinen Flughafen-Co-Geschäftsführer Jürgen Friedel sowie zwei über 80-jährige Ärzte im Ruhestand.

AfD-Großspender Stöcker beteuert seine Unschuld, weil er als Labormediziner kein Vakzin verimpft habe. Am Dienstag räumte er aber ein, die Impfaktion organisiert zu haben. Zugleich betonte er, bei allen Personen, die zur Impfaktion bei Lübeck gekommen seien, habe es sich um Erwachsene gehandelt, die dies freiwillig getan hätten. Das Einschreiten von Polizei und Ordnungsamt betrachte er als eine Form des Hausfriedensbruchs. »Die beiden impfenden Ärzte waren befreundete Mediziner«, sagte Stöcker.

Anwaltlich lässt sich der Gründer der Firma Euroimmun von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) vertreten. Der legt bisweilen ähnlich exzentrische Auftritte hin wie Stöcker, der in den letzten Jahren immer wieder mit rassistischen und frauenfeindlichen Aussagen aufgefallen war.

Bereits im vergangenen Jahr hatte Stöcker sein angeblich wirkungsvolles Vakzin gegen das SARS-CoV-2-Virus entwickelt und sogar mit Selbstversuchen erste Tests unternommen. Als das Paul-Ehrlich-Institut, die für die Zulassung von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln zuständige Bundeseinrichtung, für sein Vakzin vor einer Entscheidung sechs standardisierte sorgfältige Prüfungsphasen ankündigte, schimpfte Stöcker auf die seiner Ansicht nach zu schwerfällige »Impf-Bürokratie«. Gleichzeitig kündigte er an, er werde sein Mittel fortan in Eigenregie unter die Bevölkerung bringen, und zwar ganz ohne Gewinnabsicht.

Die Ingredienzien und Herstellungsformeln seines Antigen-Impfstoffs veröffentlichte der 74-Jährige online, dazu zwei Bestelladressen. Und er appellierte an interessierte Ärzte, den Wirkstoff selbst anzumischen. Um einer Bestrafung zu entgehen, hatte Stöcker im Frühjahr 2021 dem schleswig-holsteinischen Landesamt für soziale Dienste versichert, das nicht zugelassene Vakzin nicht mehr zu verwenden.

Nach Angaben des in der Oberlausitz geborenen »Impfrebells« haben sich bundesweit bereits rund 20 000 Menschen sein Vakzin injizieren lassen. Stöcker zufolge soll es bisher zu nur zehn Impfdurchbrüchen gekommen sein. Nachprüfen lässt sich das nicht.

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