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Wir schenken uns dieses Jahr nichts, okay?
In Anbetracht der sich verschärfenden Klimakrise wird es immer wichtiger, Konsum zu reduzieren und auf echte Nachhaltigkeit zu achten - auch an Weihnachten
Echte Nachhaltigkeit bedeutet Verzicht. Und wenn wir den Planeten retten wollen, dann benötigt es eine Entwicklung, die nicht auf Profitmaximierung fußt und am Ende das Bruttoinlandsprodukt vergrößert. Gerade in der Vorweihnachtszeit ist davon allerdings wenig zu erkennen. Denn wie nachhaltig sind wir, wenn wir kurz nach dem Black Friday - bei dem wir in Massen die Geschäfte stürmen - jeden Tag ein Türchen öffnen, hinter dem sich neue Produkte befinden, die nach kurzer Zeit im Müll oder ungenutzt in irgendeiner Schublade landen? Wenige Wochen später folgt das äußerst christliche »Fest der Liebe«, bei dem wir mit Geld und Wertgegenständen versuchen, unsere Gefühle füreinander auszudrücken.
Geht das nicht irgendwie anders? Ich persönlich bekomme wesentlich lieber Umarmungen und Liebesbriefe, anstatt große Konzerne dabei zu unterstützen, den Planeten zu zerstören. Denn genau das tun wir.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Und unser Konsum dient längst nicht mehr der Bedürfnisbefriedigung. Mit unserer Kaufsucht, die vor Weihnachten besonders gravierend ist, versuchen wir lediglich unseren eigenen Stress und Frust zu kompensieren. Laut einer Studie der Universität Darmstadt macht Kaufen aber oft nicht glücklich, sondern führt nach einer kurzen euphorischen Phase zu einer empfundenen inneren Leere, die häufig zu neuem Konsum verleitet. Ein Teufelskreis. Und solange der »sonstige Konsum« einen Anteil von 34 Prozent am CO2-Fußabdruck pro Kopf in Deutschland hat, können nicht nur wenige das Problem sein. Wir sind das Problem. Wir müssen anfangen, uns an die eigene Nase zu fassen und unser absurdes Konsumverhalten zu reflektieren.
Doch noch immer bevorzugen wir Quantität vor Qualität und bei der Produktion einiger Massenprodukte ist es durch die ausbeuterische Herstellung günstiger, ein Konsumgut neu zu produzieren, anstatt es in Deutschland zu waschen oder zu reparieren. In Anbetracht der sich verschärfenden Klimakrise werden immer mehr Stimmen laut, den Konsum zu reduzieren und auf echte Nachhaltigkeit zu achten. Damit ist natürlich nicht das pseudonachhaltige Greenwashing gemeint, welches immer populärer wird.
Wir tragen mit unserem Konsumverhalten entscheidend zum Klimawandel bei. Und ich sag es ungern, aber dessen Folgen werden laut aktuellen Zahlen nicht mehr lange auf sich warten lassen. Für alle, die sowieso schon aufgegeben haben: Die privaten Haushalte sind für rund zehn Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Unser Einfluss ist also gar nicht so unerheblich, auch wenn ich den enormen destruktiven Anteil großer Konzerne nicht negieren möchte.
Wer nun mit sozialer Ungleichheit argumentiert und sich für die Menschen in Deutschland einsetzt, die sich teurere Produkte nicht leisten können, hat nicht ganz unrecht. Es zeigt sich eine klare Tendenz, dass die reichsten Bürger*innen am meisten Geld für (unnötigen) Konsum ausgeben, doch auch der Rest der Bevölkerung springt auf darauf an.
Daher frage ich mich, wieso das die produzierenden Personen in den ökonomisch benachteiligten Ländern ausbaden müssen. Können wir einfach weiter mit gutem Gewissen billig shoppen, weil unser Sozialstaat optimierungsfähig ist? Soziale Gerechtigkeit ist wünschenswert, löst aber keineswegs unser Konsumproblem, weil die Leidtragenden überwiegend woanders leben. Zudem werden die Menschen, die die Produkte bis vor die Haustür liefern, auch erschreckend schlecht bezahlt.
Wie wäre es denn, wenn wir im Advent den Konsum reduzieren und jeden Tag einen Gegenstand verschenken, den wir schon besitzen, aber nie benutzen? Es tut gar nicht weh (versprochen!) und vielleicht freut sich sogar jemand. Wahrscheinlich kommt es vielen schon zu den Ohren raus, aber auch an Weihnachten lässt sich Konsum hinterfragen und es geht doch nichts über einen lieben Brief und ein ernst gemeintes »Wir schenken uns dieses Jahr mal nichts, okay?«.
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