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Verzicht als Protest gegen den DFB
Prominenten Frauen im Fußball kritisieren den DFB für einen undemokratischen Prozess bei dessen Präsidentensuche
Es war zuletzt merklich ruhiger geworden um die Initiative »Fußball kann mehr«, mit der vor einem halben Jahr neun prominente Frauen Forderungen für mehr Geschlechtergerechtigkeit aufgestellt haben. Nun hat sich der Zusammenschluss mit einem wenig schmeichelhaften Zwischenfazit wieder an die Öffentlichkeit gewandt - und zugleich kundgetan, dass aus seinem Kreis keine offizielle Kandidatin für die am 11. März 2022 anstehende Präsidentschaftswahl im Deutschen Fußball-Bund (DFB) aufgestellt wird.
Es ist ein Verzicht, der als Protest zu werten ist. Gegen die männlich geprägten Machtstrukturen im größten deutschen Sportverband, dessen Regional- und Landesfürsten sich auf Bernd Neuendorf als Topkandidat festgelegt haben. »Das Ergebnis auf dem DFB-Bundestag ist längst abgemacht«, kritisiert Nationaltorhüterin Almuth Schult im Interview mit »Zeit online«. Initiatorin Katja Kraus wird noch deutlicher: »Es ist enttäuschend, dass es keinen größeren Sportsgeist gibt, der dazu führt, dass sich die besten Inhalte und Kandidat*innen in einem demokratischen Verfahren messen.« Ergo könne man niemandem, der eine Aufgabe und Reputation hat, zu einer Kandidatur raten. Die Hamburger Unternehmerin kritisiert den DFB unverhohlen dafür, eine große Chance zur Erneuerung liegen zu lassen - und mit der erneut eher undurchsichtigen Präsidentenkür das nächste Eigentor zu schießen.
Die 51-Jährige beklagt eine nur bedingte Einsicht für den Zusammenhang »zwischen der aktuellen Glaubwürdigkeitskrise des Fußballs und fehlender Diversität«. Bis zuletzt hatten Amateur- und Profivertreter gehofft, dass sich noch eine Frau für den DFB-Chefposten bewirbt. Man könne aber niemanden in ein Himmelfahrtskommando schicken, heißt es aus der Initiative. Dabei hat die frühere HSV-Funktionärin Kraus den Eindruck, »dass nahezu 100 Prozent der Fußballinteressierten eine wahrnehmbare Erneuerung des DFB wünschen, 17 Verbandspräsidenten, allesamt Männer übrigens, aber entscheiden, dass alles so weitergehen soll wie bisher.«
Stattdessen erwägt die ehemalige Nationalspielerin und Bundestrainerin Steffi Jones eine Kandidatur als Präsidentin. »Wenn der DFB wirklich an einer Neuausrichtung interessiert ist, sich wirklich komplett von seinen Altlasten lösen und da eben was Neues aufbauen will, dann wäre ich gerne dabei. Dann könnte ich mir natürlich auch vorstellen, DFB-Präsidentin zu werden mit einem starken Team«, sagte Jones am Dienstag der ARD. Sie ist kein Mitglied von »Fußball kann mehr«, und auch ihr werden bei der Wahl im März keine Chancen eingeräumt.
Die Fraueninitiative war zuletzt mit dem beim VfB Stuttgart ausscheidenden Thomas Hitzlsperger und dem bei Werder Bremen verabschiedeten Marco Bode in Kontakt getreten: Hätte einer von beiden als DFB-Boss kandidiert, wäre eine Doppelspitze denkbar gewesen. Intern waren drei Paarungen mit konkreten Namen diskutiert worden. Kraus habe aber eine »Angst vor dem Kontrollverlust« im DFB beobachtet.
Sie und ihre Mitstreiterinnen geben dennoch nicht auf. Stattdessen wollen sie eine gemeinnützige GmbH mit professionellen Strukturen, festen Ansprechpartnern und einem eigenem Büro gründen. Dafür haben einzelne Profiklubs finanzielle Hilfe angeboten. Ex-Nationaltorhüterin Kraus findet, dass es gerade jetzt einen frischen Blick von außen bräuchte, denn: »Diversität ist kein Schlagwort, sondern, vor allem im Fußball, ein Weg zum Erfolg.«
Almuth Schult, aktuelle Torhüterin vom VfL Wolfsburg, ergänzt: »Wir sind bereit, ein tolles Team aufzustellen.« Und mit fast schon sarkastischem Unterton fügte sie hinzu: »Eigentlich müsste ich mich aufstellen lassen: Als DFB-Präsidentin im sogenannten Ehrenamt würde ich mehr verdienen als jede aktive Fußballerin in Deutschland.« Der Kampf um Geschlechtergerechtigkeit geht also weiter.
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