Versammlungsfreiheit und Tanzverbot

Kabinett beschließt Verschärfung der Corona-Maßnahmen - Obergrenze für Demonstrationen fünfmal höher als erwartet

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

»Man geht spazieren. Das ist ja nicht verboten. Frische Luft tut immer gut.« Mit diesen Worten ermunterte die Landtagsabgeordnete Birgit Bessin (AfD) am Dienstag indirekt, sich nicht an die neue Obergrenze für Versammlungen in Brandenburg zu halten. Angeblich sei frische Luft sogar besser als eine Impfung, behauptete Bessin. Am Montag hatte es in etlichen Städten wie Königs Wusterhausen und Frankfurt (Oder) solche Abendspaziergänge gegen die Corona-Maßnahmen gegeben.

»Ein jeder kann weiterhin seine Meinung auf der Straße vertreten«, stellte Innenminister Michael Stübgen (CDU) klar. Zuvor hatte das rot-schwarz-grüne Kabinett die Obergrenze überraschend nicht wie erwartet bei 200 Teilnehmern gezogen. Stattdessen sind ab 15. Dezember noch bis zu 1000 Personen erlaubt. Mehr als das wäre aber angesichts der Pandemie verantwortungslos gewesen, erklärte Stübgen. Er bat darum, Demonstrationen, für die übrigens grundsätzlich eine Maskenpflicht gilt, bei der Polizei anzumelden. Wenn online via Telegram »vermeintlich spontane Spaziergänge« organisiert werden, so mache dies allen Beteiligten nur das Leben schwer. Die Polizei können sich dann auch nicht vorbereiten, den Verkehr für solche Aktionen zu regeln, was die Gefahr von Unfällen heraufbeschwöre. Polizisten werden das Versammlungsrecht gewährleisten und Demonstrationen schützen, versicherte der Innenminister. Wer jedoch Straftaten begehe, gar Gewalt ausübe, »wird die unmittelbare Reaktion des Rechtsstaats zu spüren bekommen«, drohte Stübgen an.

Impfrate und Corona-Zahlen

In den brandenburgischen Kliniken werden aktuell 864 Corona-Patienten behandelt. 204 liegen auf der Intensivstation, 156 werden beatmet. 28,3 Prozent aller verfügbaren Intensivbetten im Bundesland sind mit Corona-Patienten belegt.

Innerhalb von sieben Tagen wurden 643 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner gemeldet.

1,6 Millionen Brandenburger sind vollständig geimpft. Das sind 63,1 Prozent der Bevölkerung. Bislang 525 869 Personen haben auch schon ihre Auffrischungsimpfung erhalten.

Von 176 556 Impfungen in einer Woche entfallen 136 915 auf Arztpraxen.

Die Zahl der gemeldeten Todesfälle stieg am Dienstag um 34 auf 4361. af

Private Zusammenkünfte sind strenger reglementiert. Bis zu 200 Geimpfte und Genesene dürfen im Freien feiern und bis zu 50 in geschlossenen Räumen. Wer weder geimpft noch genesen ist, darf nur noch mit Angehörigen seines eigenen Haushalts und maximal zwei Personen aus einem weiteren Haushalt zusammentreffen. Wer sich nicht daran hält, dem droht ein Bußgeld zwischen 100 und 500 Euro.

Diskotheken und Clubs werden wieder geschlossen. Bars dürfen geöffnet bleiben, wenn dort nicht getanzt wird. Sie gelten dann als Gaststätten, in denen ebenfalls nicht getanzt werden darf. Gästen, die gegen das Tanzverbot verstoßen, kann ein Bußgeld von 100 bis 1000 Euro abverlangt werden, den Gaststätten drohen Bußgelder von 1000 bis 20 000 Euro.

»Es ist berechtigt und legitim, Kritik zu üben«, räumte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) von sich aus ein. Die Menschen sollten sich aber genau überlegen, mit wem sie auf die Straße gehen. Die Grenze des Zulässigen sei überschritten, wenn Ärzte oder Politiker bedroht werden, die sich für das Impfen engagieren. Die schärferen Corona-Regeln begründete Woidke am Dienstag mit 40 Prozent zusätzlicher Belegung der märkischen Krankenhäuser innerhalb von zwei Wochen. Und dabei müsse schließlich auch versorgt werden, wer einen Verkehrsunfall, Herzinfarkt oder Schlaganfall erleide. Angesichts einer »Seitwärtsbewegung bei der Inzidenz« - von sinkenden Zahlen wollte Woidke nicht sprechen - sei keine Entspannung angezeigt. Es komme darauf an, »entschlossen, geschlossen und vor allem mit den richtigen Maßnahmen« zu handeln. Das Gesundheitswesen stehe vor »sehr schwierigen Weihnachten«.

Tatsächlich ist die Zahl der Neuinfektionen etwas gesunken. Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) warnte aber erneut, dies falsch zu interpretieren. Es hänge auch damit zusammen, dass die Gesundheitsämter der Landkreise mit dem Melden nicht mehr nachkommen. So haben Potsdam und Teltow-Fläming am Dienstag überhaupt keine neuen Infektionen an das Gesundheitsministerium übermittelt. Es kann aber schlechterdings nicht sein, dass es dort gar keine Infektionen gab.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -