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Bundesliga? Besser als ihr Ruf!
Die Fußballerinnen aus Wolfsburg und München spielen sich eindrucksvoll ins Viertelfinale der Champions League
Strahlende Gesichter allerorten beim VfL Wolfsburg zu später Stunde am Donnerstag, nachdem die Frauen der werkseigenen Fußball GmbH mal wieder ein Ausrufezeichen gesetzt hatten – und einen Kontrapunkt zur Niederlagenserie der Männer. Mit einem berauschenden 4:0-Heimerfolg im letzten Gruppenspiel der Champions League gegen den FC Chelsea eliminierte der deutsche Vizemeister keinen Geringeren als den Vorjahresfinalisten. Da die Engländerinnen mit Spielerinnen wie der ehemaligen Wolfsburgerin Pernille Harder oder dem australischen Weltstar Sam Kerr aufliefen, ist der Einzug ins Viertelfinale nicht hoch genug zu bewerten.
»Überragend, was wir heute auf den Platz gebracht haben – erst recht, wenn man bedenkt, wer bei uns auch noch alles gefehlt hat. Den Mut, diese Situation so anzunehmen, muss man erst einmal haben und das dann auch bis zum Ende durchziehen«, jubelte Trainer Tommy Stroot. Und die rechtzeitig fit gewordene Nationaltorhüterin Almuth Schult hielt fest: »Wir haben uns die ganzen Tage schon angefeuert. Wir haben versucht, Chelsea über 90 Minuten auf den Füßen zu stehen. Das war das Erfolgsrezept.«
Die Bundesliga der Frauen, der so gerne vorgehalten wird, den Anschluss gegenüber der englischen Liga zu verpassen, ist anscheinend besser als ihr Ruf. Auch der FC Bayern steht unter den besten Acht, hatte die Qualifikation schon vor dem 4:0 im Heimspiel gegen Benfica Lissabon in der Tasche. Die möglichen Gegner der deutschen Klubs heißen Juventus Turin, Paris St. Germain, Real Madrid, FC Barcelona, Arsenal und Olympique Lyon. Eine illustre Runde. »Die europäische Bühne ist zusammengerückt und wir sind auf einem guten Weg. Uns fehlt aber sicherlich noch der letzte Schritt zur Spitze«, sagt Bayerns Sportliche Leiterin Bianca Rech. Präsident Herbert Hainer findet: »Unsere Frauenmannschaft ist auf einem unheimlich guten Weg, sich in Europas Spitze zu etablieren.« Der Anspruch sei es nun einmal, mit allen Profimannschaften die Nummer eins zu sein.
Auch Wolfsburg, 2013 und 2014 schon Sieger in der Champions League, war das Weiterkommen in einem Wettbewerb wichtig, der mit der Einführung einer Gruppenphase erheblich aufgewertet wurde. Stroot gefällt das neue Format: »Das sind überragende Erlebnisse: sich auf höchstem Niveau in großen Stadien gegen tolle Gegner mit den weltbesten Spielerinnen zu messen. Wir haben etwas das erste Mal erleben dürfen, was bei den Männern in der Form über viele Jahre vorgelebt wurde.« Ein netter Nebeneffekt ist, dass die Spannung in der Bundesliga gestiegen ist, weil die Topteams die Belastung nicht einfach so wegstecken. Nationalspielerin Lena Oberdorf will darüber keinesfalls klagen: »Die Champions League ist das Beste, was dem Frauenfußball passieren konnte, weil wir genau diese Bühne brauchen, um noch mehr Menschen dafür zu begeistern.«
Mit einem 4:1-Achtungserfolg gegen Arsenal ließ am letzten Spieltag auch der Bundesligadritte Hoffenheim aufhorchen, der aufgrund des direkten Vergleichs mit den Engländerinnen aber ausschied. Überhaupt die Gruppenphase zu erreichen, war für den Ausbildungsklub aus dem Kraichgau ein großer Erfolg. Für junge Nationalspielerinnen wie Jule Brand kann es mit Blick auf die EM 2022 in England gar nicht genug internationale Vergleichsmöglichkeiten geben. Besser aber könnte der Zuschauerzuspruch sein. Wolfsburg begrüßte gegen Chelsea nur 1104 Fans, beim Meister FC Bayern bedeuten die 1857 Besucher gegen Lyon auf dem Münchner Campus die Bestmarke.
Zum Vergleich: Turins Frauen lockten zum Heimspiel gegen Wolfsburg 12 739 Menschen in die Heimstätte der Juve-Stars Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini. Weder Bayern, Wolfsburg noch Hoffenheim trugen auch nur ein Heimspiel in einer ihrer großen Arenen der Männer aus. »Wenn wir schauen, dass 12 000 Zuschauer bei unserem Spiel in Turin waren, dann macht das etwas mit den Spielerinnen oder auch mit potenziellen neuen Spielerinnen aus dem Ausland, die vor der Frage stehen: Wohin gehe ich?«, kritisierte Stroot und forderte Vereine und Verband zwischendrin auf, »Marketingstrategien oder Eventfaktoren zu entwickeln«.
Die reinen Frauenvereine haben auf internationaler Bühne die Waffen gestreckt. Siegfried Dietrich, über zwei Jahrzehnte Manager beim inzwischen mit der Eintracht fusionierten 1. FFC Frankfurt, hat vermutlich recht, wenn er den Champions-League-Gewinn 2015 als den letzten Triumph eines reinen Frauenvereins ansieht. Nicht mal die besten Teams aus Skandinavien können noch mithalten: Der dänische Meister HB Köge war wie der schwedische Vertreter BK Häcken in den Gruppenspielen überfordert. Dennoch ist sich Uefa-Präsident Aleksander Ceferin sicher: »Der weltweit prestigeträchtigste Klubwettbewerb erhält die Plattform und Sichtbarkeit, die er verdient.«
Zwar gibt es nicht ansatzweise so viel Geld wie bei den Männern, aber der europäische Fußballverband schüttet etwa 24 Millionen Euro aus und damit viermal mehr als bislang. Vielleicht wichtiger noch, dass der Streamingdienst DAZN eingestiegen ist und die ersten zwei Jahre sämtliche 61 Spiele über eine Partnerschaft mit YouTube kostenlos überträgt. Sowohl die Liveübertragungen als auch die Zusammenfassungen sind ein wichtiges Stilmittel, um neue Interessenten zu locken. Die Übertragungen sind gut gemacht, viele ehemalige Nationalspielerinnen treten als Expertinnen auf - und überzeugen mit längst nicht so gestelzten Kommentaren wie bei den Männern.
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