Für die Koalition: Linke hat entschieden

Große Mehrheit der Berliner Linke-Mitglieder stimmt für den neuen Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Mitglieder der Berliner Linkspartei hatten bis diesen Freitag Zeit. Und sie haben sich deutlich entschieden: Mit großer Mehrheit stimmten sie beim Basisentscheid für die Annahme des Koalitionsvertrages mit der SPD und den Grünen. 74,91 Prozent der Abstimmenden sprachen sich für die Neuauflage der Koalition aus, 22,4 Prozent stimmten dagegen, knapp drei Prozent enthielten sich. Insgesamt gaben nach Angaben des Parteivorstands 4220 von 8016 stimmberechtigten Mitgliedern ihre Stimme ab.

Der Mitgliederentscheid lief über mehrere Wochen, am Freitag um 13 Uhr war die Deadline für die Stimmabgabe, dann wurde gezählt. Die Berliner Parteichefin Katina Schubert sagte nach der Auszählung am Freitagabend: »Das ist ein klarer Auftrag für uns. Das gute Ergebnis ist Rückenwind für die aktuellen und kommenden Herausforderungen.« Das Ergebnis des Mitgliederentscheids sei zudem ein »Auftrag, unsere Schwerpunkte, wie unter anderem die Investitionsoffensive, die Umsetzung des Volksentscheids und die Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030, mit großer Energie jetzt zu verwirklichen«, so Schubert weiter. SPD und Grüne hatten in den vergangenen Wochen bereits dem neuen Koalitionsvertrag zugestimmt.

Die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen hatten innerhalb der Linken für einige, teils scharfe Diskussionen gesorgt. Zuletzt war es bei einem außerordentlichen Parteitag am 6. Dezember zum Schlagabtausch zwischen Befürworter*innen und Gegner*innen des Koalitionsvertrages gekommen. Die einen sagten, verkürzt: Um überhaupt linke Politik voranzubringen, müsse man sich an der Regierung beteiligen – und hoben das Erreichte im Koalitionsvertrag hervor. Die anderen befürchteten angesichts der strittigen Punkte wie dem Ruf nach mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum oder dem alles andere als deutlichen Bekenntnis zur Umsetzung des Volksentscheids zur Vergesellschaftung von großes Wohnungsbestände profitorientierter Immobilienunternehmen einen nicht wiedergutzumachenden Vertrauensverlust. Dazu kommt, dass die Linke das Stadtentwicklungsressort an die SPD verloren hat.

Die Machtverhältnisse hatten sich mit der Abgeordnetenhauswahl am 26. September dieses Jahres verändert. Während die SPD 2016 stärkste Kraft war – und geblieben ist –, lagen Grüne und Linke seinerzeit annähernd gleichauf. Nach der Wahl im September sag das anders aus: Die Linke hatte Stimmen verloren, im Gegenzug hatten die SPD leicht und die Grünen deutlich zugelegt. Im neuen Abgeordnetenhaus haben die Grünen jetzt mehr Sitze als die Linksfraktion, die als kleinste Partnerin in die Koalition einzieht und in den Verhandlungen um den Koalitionsvertrag einige Kröten schlucken musste, zum Verdruss vieler Genoss*innen.

Klaus Lederer, Kultursenator und Linke-Spitzenkandidat bei der Abgeordnetenhauswahl, sagte kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses: »Drei Viertel unserer Mitglieder haben dem Koalitionsvertrag von Rot-Grün-Rot zugestimmt und sich damit für weitere fünf Jahre linke Stadtpolitik in Regierungsverantwortung entschieden. Das ist ein solides Ergebnis und ein hartes Mandat, die erfolgreiche Arbeit fortzusetzen.« Man wolle nun das Beste daraus machen, so Lederer.

Die Gegner*innen einer erneuten Regierungsbeteiligung hatten am 4. Dezember einen Antrag »Nein zum Koalitionsvertrag« eingebracht, federführend getragen von Katalin Gennburg, der direkt gewählten Abgeordneten aus Treptow-Köpenick, und vorgebracht aus sieben Bezirksverbänden. Eine Mehrheit der Delegierten stimmte jedoch beim Parteitag am 6. Dezember dafür, diesen Antrag nicht zu behandeln.

Nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses sagte Gennburg: »Die Mitglieder der Partei haben entschieden. Die intensiven Debatten in der Partei haben uns gezeigt, dass es keinen Spielraum für weitere Zugeständnisse an die Koalitionspartner gibt. Vielmehr gibt es nun einen Kredit und Arbeitsauftrag von der Mitgliedschaft, um den Volksentscheid und linke Projekte im Koalitionsvertrag auch wirklich umzusetzen.«

Der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Berliner Parteivorsitzende Pascal Meiser sagte zu »nd«, die große Mehrheit der Parteimitglieder habe keinen Zweifel daran gelassen, »dass sie als Teil der neuen Landesregierung weiter daran arbeiten will, dass Berlin zu einer Stadt wird, die niemanden zurücklässt – und das ist auch gut so«.

Die im Vergleich zu 2016 deutlich gesunkene Zustimmung zeige aber auch, »dass die Spitzen von SPD und Grünen gut beraten wären, das in den letzten Monaten verloren gegangene Vertrauen jetzt schnell wieder herzustellen«. Er würde sich vor diesem Hintergrund freuen, so Meiser weiter, würde die kommende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) »als eine der ersten vertrauensbildenden Maßnahme zu ihrem Amtsantritt noch mal öffentlich bekräftigen, was sie direkt nach der Wahl versprochen hat: dass nach Klärung aller rechtlichen Fragen auch die Erarbeitung eines Gesetzentwurfes zur Umsetzung des Volksentscheids ›Deutsche Wohnen und Co enteignen‹ erfolgen wird und dazu auch zügig die verabredete Vergesellschaftungskommission eingesetzt wird«.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!