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Das große Geldversprechen
Mit 25 Millionen Dollar für jeden will die Fifa nationale Fußballverbände zur WM alle zwei Jahre überreden
Wachsen, Wachsen, Wachsen – das war die Botschaft, die Fifa-Präsident Gianni Infantino am Montag für die Welt bereithielt. Etwa vier Milliarden Euro mehr nähme der Fußballweltverband in einem Vierjahreszeitraum ein, wenn er seine Weltmeisterschaften alle zwei Jahre durchführe, verkündete Infantino auf dem online abgehaltenen »Global Summit« vor Vertretern von 207 nationalen Mitgliedsverbänden. »Der Kuchen wird größer, für alle fällt etwas dabei ab«, sagte er später auf der Pressekonferenz, und strahlte dabei so rundherum glücklich, als hätte er seinen eigenen Zuckerspiegel bereits mit einem großen Tortenstück erhöht.
Offiziell ging es nicht um Desserts, sondern um so etwas Gewichtiges wie die »Zukunft des Fußballs«. Weil die Vorstellungen darüber derzeit auseinanderklaffen, wandelte die Fifa das als Abstimmungsveranstaltung geplante Event kurzerhand in eine Konsultation um. Nicht allen Geladenen schien das noch wichtig zu sein. Im Video-Stream fiel auf, dass mindestens zwei Abgesandte während der zweieinhalbstündigen Veranstaltung ein Nickerchen einlegten. Unten abnicken, was von oben kommt, ist eben Alltag bei der Fifa. Das geht auch mit geschlossenen Augen.
Außerhalb dieser Runde gab es zuletzt massive Kritik an Infantinos Lieblingsprojekt. Aleksander Čeferin, Präsident der europäischen Uefa, drohte gar mit einem WM-Boykott der Teams seines Dachverbandes. »Eine zweijährige WM schädigt den gesamten Fußball, entwertet die WM selbst, bringt zusätzliche finanzielle Lasten für die Fans und bremst die Entwicklung des Frauen- und Nachwuchsfußballs aus«, lautete ein Statement der Uefa. Im Oktober präsentierte sie eine Studie der britischen Beratungsfirma Oliver & Ohlbaum, die die Verluste für den europäischen Fußball bei einer alle zwei Jahre ausgetragenen WM auf etwa drei Milliarden Euro bezifferte. Weil auch der südamerikanische Kontinentalverband Conmebol gegen die Ausweitung ist, bilden die Heimatverbände aller bisherigen Weltmeister bei den Männern nun eine Front gegen Infantino.
Pikanterweise hatten allerdings die Südamerikaner vor drei Jahren die bereits 1999 erstmals vom damaligen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter geäußerte Idee erneut salonfähig gemacht. Die Conmebol wollte entweder eine WM alle zwei Jahre oder eine globale Ausweitung der bisher auf Europa beschränkten Nations League. Uefa und Conmebol planen ab 2024 eine Teilnahme der zehn südamerikanischen Verbände an jener noch recht frischen Nationenliga. Die wird damit zum direkten Konkurrenten der zweijährigen Weltmeisterschaft.
Das ist die Gemengelage. Die Uefa ist derzeit Finanzkrösus im globalen Fußball. Etwa zwölf Milliarden Euro nahm sie im Vierjahreszeitraum zwischen 2015 und 2018 ein, der Löwenanteil kam aus der jährlich stattfindenden Champions League für Klubmannschaften. Die Fifa verbuchte im selben Zeitraum nach eigenen Angaben etwa fünf Milliarden Euro, vor allem dank der alle vier Jahre stattfindenden WM, die nächste steht in knapp einem Jahr in Katar an. Fände die doppelt so oft statt, verdoppeln sich zwar nicht gleich die Einnahmen. Die vom Weltverband beauftragte Agentur Nielsen kam aber auf etwa vier Milliarden Euro mehr. So stand es in der am Montag vorgestellten Machbarkeitsstudie. Die so erzielten höheren Renditen sollen allen Mitgliedsverbänden zukommen; die Einnahmen würden gar von derzeit sechs Millionen US-Dollar pro Verband alle vier Jahre auf bis zu 25 Millionen steigen, versprach Infantino.
Der Boss des zweitmächtigsten Sportverbands der Welt spielte clever seine Karte der globalen Gerechtigkeit gegenüber dem Kontinentalverband der alten Kolonialmächte aus. Sein neuer Adlatus Arsène Wenger argumentierte in die gleiche Richtung. Der frühere Coach des FC Arsenal, der heute bei der Fifa als Direktor für globale Fußballförderung fungiert, befürwortet den verkürzten WM-Rhythmus, weil damit auch die Fans, die keine Weltstars in den heimatlichen Ligen haben, diese Stars durch die WM öfter sehen könnten. Zudem würde auch mehr Geld in die Ausbildung bei kleineren und ärmeren Verbänden fließen.
Mit dem Argument könnte man sich anfreunden. Allerdings lieferten weder Wenger noch Infantino Hinweise auf strengere Antikorruptionsregeln. Größere Kuchenstücke führen bekanntlich zu mehr Appetit. Die Fifa fiel bisher nicht durch verstärkte Bemühungen auf, den Abfluss von Investitionen für Ausbildungsprogramme ins Privatvermögen der Funktionäre zu verhindern. Ob in der Machbarkeitsstudie dazu etwas steht, ist unklar; »nd« bat die Fifa vergeblich um Einblick in die Studie.
Zumindest den Konflikt mit dem größten Sportverband der Welt, dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), glaubt Infantino mittlerweile gelöst zu haben, auch wenn er nicht sagt, wie. Die Zweijahrespläne der Fifa »gefährden die Diversität des weltweiten Sports«, hatte das IOC vor einigen Wochen noch gewarnt. »Ich habe Präsident Thomas Bach und andere IOC-Vertreter letzten Samstag getroffen. Wir haben uns gut ausgetauscht. Dabei habe ich mitbekommen, dass sie ja auch alle zwei Jahre Olympische Spiele veranstalten«, sagte Infantino mit einem Schmunzeln. Ob er nun auch eine Winter- und eine Sommer-WM analog zum olympischen Modell anstrebt, ließ er offen.
Letztlich ist es ein Kampf um die begrenzte Ressource Zeit. Dass es statt weiterem Wachstum besser um Nachhaltigkeitsstrategien gehen sollte, hat die großen Player des Sports auf den Ebenen Klubs, Kontinental- und Weltverbände offensichtlich aber noch nicht erreicht. Das ist das größere Übel als der Hahnenkampf zwischen den Verbänden.
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