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Nachfolger gesucht
Sven Hannawald über den letzten deutschen Tourneesieg vor 20 Jahren
Sven Hannawald, wenn Sie heute an Ihren Tourneetriumph zurückdenken: Welches Bild taucht zuerst in Ihrem Kopf auf?
Das prägnanteste Bild ist, als mich Reinhard Heß und Wolfgang Steiert im Schanzenauslauf von Bischofshofen auf ihren Schultern getragen haben. Ich werde nie vergessen, wie ich in diesem Moment vor all diesen Deutschlandfahnen den Triumph empfunden habe. Das Bild war auch ein Symbol dafür, dass man diese Tournee nicht allein gewinnen kann, sondern es immer ein Teamerfolg ist.
Sven Hannawald brachte im Winter 2001/2002 als erster Skispringer der Geschichte das Kunststück fertig, alle vier Springen bei der Vierschanzentournee zu gewinnen. Der historische Triumph war vor inzwischen 20 Jahren auch der letzte deutsche Gesamtsieg beim Skisprung-Grand-Slam. Bei der diesjährigen Auflage, bei der am heutigen Mittwoch erstmals um Punkte in der Gesamtwertung gesprungen wird, steht der 47-Jährige als ARD-Experte an den Schanzen. Für »nd« sprach Lars Becker mit ihm.
Der ehemalige Bundestrainer Reinhard Heß ist 2007 verstorben. Haben Sie noch Kontakt zu Ex-Coach Wolfgang Steiert?
Wenig. Es ergibt sich einfach auch wegen meiner Familie und den Kindern zeitlich nicht. Aber nachdem es ja in diesem Winter als Ersatz für den abgesagten Weltcup in Sapporo ein Springen in Titisee-Neustadt im Schwarzwald geben soll, hoffe ich, Wolfi dort zu sehen. Den häufigsten Kontakt mit den Kollegen von damals habe ich mit Martin Schmitt, weil er auch als TV-Experte arbeitet.
Mit Martin Schmitt haben Sie bei Eurosport lange zusammengearbeitet, jetzt stehen Sie für die ARD an der Schanze. Dahinter steckt eine besondere Geschichte ...
Ich bin glücklich über die Chance, dorthin zurückzukommen, wo ich schon einmal war. 2005 war ich im Team mit Reinhard Heß als Experten und Monica Lierhaus als Moderatorin schon einmal bei der ARD. »Hannis Welt« hieß meine Rubrik. Damals habe ich von den Erfahrungen aus meiner Karriere berichtet und zum Beispiel in unserer Unterkunft in Lillehammer Betten bezogen (lacht). Ich konnte meine Tätigkeit zu dieser Zeit aber einfach nicht fortsetzen. Olympia in Turin stand vor der Tür. Da wäre ich zwei Wochen vor Ort gewesen. Das hat so viel Unruhe in mir erzeugt, dass ich es einfach nicht geschafft habe und bei der ARD aufhören musste. Ich habe damals gelernt, dass man auf sein inneres Gefühl hören muss. Ich hatte einfach nicht genügend Abstand vom Skispringen.
Nach Ihrem Tournee-Triumph sind Sie damals in den Burnout gerutscht …
Ich habe früher als Skispringer alles für diesen Sport gegeben. Ich habe mir nicht erlaubt, Pausen zu machen. Ich habe nicht auf meinen Körper gehört. Und dann hat es geknallt. Ich musste das Skispringen gehen lassen, weil es einfach nicht mehr ging. Daraus habe ich mindestens genauso viel gelernt wie aus all meinen sportlichen Erfolgen.
Sie haben selbst zwei kleine Kinder daheim. Wie gehen Sie zum Beispiel jetzt vor Ihrem Job bei der Vierschanzentournee mit dem Stress um?
Natürlich gerate ich trotz meiner Erfahrungen immer noch in Stress. Aber ich nehme die Anzeichen intensiver wahr. Natürlich kann ich an so einem Weltcup-Wochenende nicht einfach sagen: Jetzt verschiebt das Springen mal um zwei Tage. Aber ich kann an den Tagen danach zwei, drei rote X in den Kalender machen. Da läuft dann nix Berufliches. Und ich bin einfach für Familie und Kinder da.
Auch der deutsche Topflieger Karl Geiger ist inzwischen Vater. Er geht als Gesamtweltcup-Spitzenreiter und damit automatisch als Topfavorit in die Tournee. Bekommen Sie in den nächsten Tagen endlich einen deutschen Nachfolger?
Karl lässt sich auch von einem schlechten Trainingssprung nicht aus der Ruhe bringen. Das ist neben seiner Konstanz eine Supervoraussetzung, um die Tournee zu gewinnen. Ich habe schon letztes Jahr gedacht, dass die Voraussetzungen so gut wie nie zuvor für einen deutschen Tournee-Gesamtsieg sind. Jetzt sind sie noch besser. Allerdings ist Karl in diesem Winter der Einzige, der das Feuer aus deutscher Sicht am Brennen hält.
Diesmal scheint es auf ein Duell zwischen Karl Geiger und dem Japaner Ryoyu Kobayashi hinzulaufen. Wer ist Ihr Favorit?
Die beiden sind zwei unterschiedliche Springertypen. Bei Karl steht und fällt alles mit dem Absprung. Und er bekommt es fast immer punktgenau hin. Keiner im Feld der Top-Skispringer hat da ähnliche Qualitäten wie er. Kobayashi ist eher ein Typ, wie ich es früher war. Der nimmt beim Absprung zwar nicht so viel Höhe wie Karl mit, dafür aber mehr Geschwindigkeit. Der ist wie ein aggressiver Pfeil in der Luft. Er ist deshalb nicht so hoch über dem Hang und kann deshalb Sprünge im größeren Weitenbereich besser landen als Karl. Das kann zum Vorteil für den Japaner werden.
Können noch andere Springer in dieses Tourneeduell eingreifen?
Stefan Kraft aus Österreich darf man nicht vergessen, der hat in diesem Winter auch schon gewonnen. Der hat etwas Körpergewicht zugelegt, darf deshalb etwas längere Ski springen und geht von der Technik jetzt eher in Richtung Kobayashi. Bisher war er noch nicht stabil damit, aber wenn es einmal Klick bei ihm macht, dann geht es mit seiner Erfahrung und den Erfolgen im Rücken so richtig ab. Auch die Norweger Granerud oder Lindvik haben einen ähnlichen Stil und das Potenzial ganz vorn anzugreifen. Ich hoffe aber, dass ich nach 20 Jahren endlich einen deutschen Nachfolger bekomme!
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